Eine Doktorandin arbeitet in einem Forschungszentrum.

Ihre Meinung zu Gesetz soll Kurzzeitverträge in der Wissenschaft beenden

Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen besser vor kurz laufenden Arbeitsverträgen und Kettenbefristungen geschützt werden. Was sich ändern soll und warum das Vorhaben umstritten ist.

...mehr ...weniger
Dieser Artikel auf tagesschau.de
Kommentieren beendet
102 Kommentare

Kommentare

Esche999

Die befristeten Verträge sind aus Sicht einer Familienplanung immer ein Problem und daher gesellschaftlich negativ besetzt. Im Bereich der Wissenschaften gibt es aber einen zweiten Aspekt und auch der hat gesellschaftliche Relevanz : die Innovationsfähigkeit. Die ist grundsätzlich mit gedanklicher Vielfalt verbunden. Die ist natürlich auch bei EINEM Wissenschaftler nicht ausgeschlossen, aber insgesamt resultiert die größere Breite doch durch ein möglichs großes Selektionspotential - und DAS kann bei immer begrenzten Stellenzahlen eben nur durch einen höheren Durchsatz an Wissenschaftlern pro Stelle erreicht werden. In den 68er Jahren hat man das durch gesellschaftlichen Druck verhindern wollen - in oft heftigen Konflikten mit den Institutsleitern . Die Folge war eine merkliche Stagnierung von Forschungsleistungen: nicht zuletzt das hat in Deutschland Wirkung bis heute gezeigt "wahres Genie läßt sich auf Dauer gar nicht verbergen" - dann entfällt die Frage der Befristung meist ohnehin.

1 Antwort einblenden 1 Antwort ausblenden
Nachfragerin

Sie glauben ernsthaft, dass die Innovationsfähigkeit steigt, wenn man eine Art "Speeddating" mit einer Forschungsstelle betreibt?

Meine Arbeitsgruppe an der Uni hat mein Thema komplett aufgegeben, nachdem mein Vertrag ausgelaufen war. Es gab niemanden, der meine Forschung fortführen konnte und niemanden, der einen potenziellen Nachfolger hätte einarbeiten können. 

Später habe ich an einem Bundesinstitut gearbeitet. Da wurde einem langjährigen Mitarbeiter die Verlängerung versagt, weil ihm die Promotion fehlte. Der Mann war weg und mit ihm das Wissen über Laborgeräte und Computerprogramme. Das war keine Innovation, sondern ein "Gehe zurück auf Los!".

Carlos12

Mich erinnert es an die extremen Bedingungen in der japanischen Animeindustrie. Es gibt hier einen Bereich in dem begeisterte und fähige junge Leute unbedingt Arbeiten wollen, weil es ihr Traum ist. Dementsprechend werden sie ausgebeutet.

Natürlich sind Forschungprojekte volatil in ihrer Finanzierung und Zeitdauer. Das legitimiert aber nicht diesen Umgang mit jungen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

Mich würde außerdeem interessieren, wie es in anderen Industrienationen läuft.

Schrubber-Naturborste

Die geplante minimale Verlängerung der Mindestvertragslaufzeiten ist reine Makulatur.

Ob Halbjahres- oder Ganzjahresvertrag: Danach ist ist wieder völlig offen, woher Miete und Lebenserhaltungskosten kommen sollen. Als Geisteswissenschaftler habe ich das selber in den 90gern durchexerziert. Nach dem Diplom war klar, dass ich mit derlei Unsicherheiten keine Dissertation schaffen würde. Dann berufliche Neuorientierung im sozialen Bereich: Wieder nur befristete/projektgebundene Verträge. Ergebnis: Ein beruflicher Flickenteppich, krankheitsbedingt Arbeitslosigkeit, direktes Abrutschen ins SGB II... Und bevor hier die "anständigen", "selbstständig" für sich gesorgt Habenden wieder einwenden: "Hättest was Gescheites lernen müssen" -; nicht alle sind eine Curie oder Doudna! Und was wären wir ohne eine Arendt oder Luxemburg.

1 Antwort einblenden 1 Antwort ausblenden
w120

Etwas provokant, aber muss fast jeder einen Doktortitel haben?

 

Ihrer Erfahrung nach, ist dieser in Ihrem Bereich zwingend erforderlich?

Nachfragerin

Dieses Gesetz gehört abgeschafft...

"Für Betroffene bedeutet das fehlende berufliche Sicherheit und keine Planbarkeit auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie."

Es ist noch viel schlimmer.

Meist gehen die Vertragswechsel mit einem Themenwechsel einher. Man verschwendet die ersten Monate seiner Vertragslaufzeit also damit, sich neu einzuarbeiten. Ein paar Monate später wiederholt sich das Ganze, weil man Bewerbungen und/oder Projektanträge schreiben muss. Die effektive Arbeitszeit bei einem 2-Jahres-Vertrag reduziert sich damit auf höchstens 1,5 Jahre.

Und wenn ein Wissenschaftler seine Arbeitsgruppe verlassen muss, dann nimmt er sein Wissen mit. Dann sind es die Zurückgebliebenen, die sich neu einarbeiten müssen.

Der einzige Vorteil dieses Gesetzes besteht darin, dass die Personalkosten bei Bedarf gesenkt werden können. Das wird auf Kosten junger Menschen und dem Forschungsstandort Deutschland erreicht.

3 Antworten einblenden 3 Antworten ausblenden
Schrubber-Naturborste

Volle Zustimmung.

Jimi58

Ich gebe ihnen da 100% Rech und mit den Zeitverträge hat man die Facharbeiter vergrault und nun sucht man händeringend, fast in jeder Branche.

Juwa

„Und wenn ein Wissenschaftler seine Arbeitsgruppe verlassen muss, dann nimmt er sein Wissen mit.“

Aber es kommen auch immer wieder neue Wissenschaftler dazu, die wieder ihr Wissen mit einbringen können. Durch die jetzige Situation ist dieser Austausch gesichert.

 

Man muss dabei immer das Ganze betrachten und ein Kompromiss finden. Die jetzige Reform ist ausgewogen und daher sinnvoll.

Bernd Kevesligeti

Da soll also ein Gesetz geändert werden. Statt 6 Jahre soll in Zukunft 4 Jahre befristet werden können. Zu einer Abschaffung der Befristung konnte man sich nicht durchringen. Der Referentenentwurf zur Novellierung des Wissenschaftzeitvertragsgesetzes wurde mit diesen Änderungen schon vor 10 Monaten präsentiert. 

Ob sich auf dieser Grundlage wissenschaftliche Forschung in der Zukunft gut entwickeln lässt ?

Lucinda_in_tenebris

Juniorprofessorur ( danach keinen weiteren Vertrag zu bekommen und als wissenschaftlicher Quasi Tagelöhner weiter machen) oder direkt in die Selbstständigkeit bzw Wirtschaft ? Für Kinder aus Arbeiterfamilien ist bei dieser Frage schon das Ende der Fahnenstange (akademischen Karriere) meist erreicht gewesen. 

Sisyphos3

Gesetz soll Kurzzeitverträge in der Wissenschaft beenden

 

gute Idee !

noch besser wäre es, wenn die schon dran sind Lehrer fair behandeln

nicht im September einstellen bis Juli und das 5 Jahre lang

so kann doch kein Mensch ne Lebensplanung betreiben

6 Antworten einblenden 6 Antworten ausblenden
Lucinda_in_tenebris

Bei den Lehrern hat sich die Situation schon in den letzten Jahren verbessert. Gehälter sind gestiegen, Qualifikationen werden schneller anerkannt (Quereinstieg), Teilzeitstellungen sind möglich etc .  Die Fehler der vorherigen Jahrzehnte (Schönen Gruß an Herrn Kohl) lassen sich aber heute nicht so schnell gerade biegen und die entstandenen Lücken können nicht so rasch gefüllt werden.. In meiner Generation wurde den Studenten noch deutlich abgeraten in den Lehrerberuf zu gehen, weil angeblich keinerlei Arbeitsperspektive ("sogenannte Lehrerschwämme")

artist22

'("sogenannte Lehrerschwämme")'  Was die neuerdings im Schulbetrieb alles so aufsaugen müssen, geht auf keine Kuhhaut. Aber deswegen ist es trotzdem nicht ratsam Milchbauer zu werden ;-)

Lucinda_in_tenebris

Mitunter steht der heutige Lehrerschwamm vor einer, wohl gemerkt inklusiven,  Schulklasse mit 25 Schülern. Die damalige Theorie war ja, dem Boomerjahrgang folge der Pillenknick und da braucht es bloß keine Lehrer.  

Mein Rat: Erst immer schauen, wer auf der Sau reitet, die durchs Dorf gescheucht wird.

artist22

"Mein Rat: Erst immer schauen, wer auf der Sau reitet, die durchs Dorf gescheucht wird."

Meine Lebenserfahrung sagt dazu: Immer erst schauen, wer die Sau bezahlt, die das alles ins Netz stellt.

R A D I O

In der Lehrerausbildung herrscht das Schweinezyklus(-Problem). An Universitäten kann der forschende Nachwuchs nicht lange oder ewig bleiben, sonst kommen die nachrückenden Jahrgänge überhaupt nicht rein, weil die Durchgänge auf Jahre verstopft sind. Ein Gleichgewicht ist schwierig herzustellen.

FakeNews-Checker

Auch  Bürgergeldempfänger  können  keine  Lebensplanung  betreiben,   wenn  da  schon  wieder  die   "C"DU  eine  Rolle  rückwärts  unternehmen  will.    Für  ein  bißchen  Grundgesetz  auf  Gleichbehandlung  sollte  es  daher  auch  Lehrern  nicht  anders  ergehen.  So  bekommen  die  Kleinen  in  der  Schule   schon  früh  und  noch  rechtzeitig  zum  Auswandern   mit,  was   hierzulande  so  alles  los  ist    beim  täglichen  Rien  ne  va  plus.

Juwa

Die jetzige Reform ist überfällig. Durch die nicht so guten Arbeitsbedingungen wandern die potenziellen Wissenschaftler in andere Bereiche (wie Wirtschaft) und andere Länder ab (Der Fachkräftemangel lässt grüßen). Gute Arbeitsbedingungen sind daher unerlässlich.

Mauersegler

Wir verlieren auf diese Weise eine Menge fähigster Köpfe, die auch Freude hätten an Wissenschaft und Lehre, sich diesem jahrelangen unsicheren Prozess aber nicht aussetzen wollen. Also gehen sie in die Industrie. Das macht die Universitäten nicht besser. 

Politikinteressierter2

Der Staat ging bei den Lehrkräften mit befristeten Arbeitsverträgen mit bestem Beispiel voraus

Hallo zusammen,

ich mag mich irren, aber wenn ich mich recht erinnere ging der Staat damals als der Beruf des Lehrers den Beamtenstatus verlor mit besten Beispiel voraus: Neue Lehrer bekamen größtenteils Einjahres-Verträge , die vor den nächsten Sommerferien ausliefen, sodass sie sich  anach wieder einen neue Stelle suchen. 

Das machte das Berufsbild des Lehrers enorm interessant.....

Ich bin mir sicher, dass bei einem effizienten Haushalts- und Ausgabenmanagement (Stichwort: Steuerverschwendung), genug Spielraum vorhanden  gewesen wäre, diese Maßnahme zu umgehen...na ja, was weiß ich schon.... ;-)

Viele Grüße

 

 

Adeo60

Es war höchste Zeit, dass die Kettenarbeitsverträge von wissenschaftlichen Mitarbeitern geändert und den arbeitsrechtlichen Vorgaben zumindest angenähert werden.

FakeNews-Checker

Das  neue  Gesetz  ändert  auch  nichts  daran,  daß  freie  Wissenschaft  und  Forschung  in  Deutschland  nicht  mehr  möglich  sind  bei    chronisch  leeren  Kassen  und  durch  sponsernde  Interessengruppen  beherrscht,    die  nicht  das  Allgemeinwohl  im  Sinn  haben,  sondern  dem  letztendlich  sogar  schaden.   Wer  noch  kann,  verläßt  das  Land.

Magnolia

Da wird ein "Problem" aufgeheizt, das keines ist.
Auch in anderen Ländern wie z.B. in den USA sind Kettenverträge Standart.
Erst eine Professur bringt die hier so viel berufene finanzielle Sicherheit.
Trotzdem sind Forschende aller Fachrichtungen in den USA weitaus erfolgreicher, wenn es um der Wirtschaft nützliche Studien geht.
Es kann nun mal nicht jeder Doctorand gleich eine unbefristete an der Uni erwarten.
Dafür ist die Uni einfach nicht da.

FakeNews-Checker

Die  grundsätzliche  Frage,  was  man  denn  noch  alles  zerforschen  und  verwissenschafteln  will,  bleibt  dabei  weiterhin  unbeantwortet.  Forschung um  jeden  Preis,  mittlerweile  auf  Dumpinglohn-Niveau  angelangt.   Weniger  wäre  mehr,  jedenfalls  für  Umwelt,  Klima  und  Ressourcenschutz.

1 Antwort einblenden 1 Antwort ausblenden
Lucinda_in_tenebris

".....to boldly go, were no one go before"  

Es gibt noch zu viel Dunkel, als dass wir das Licht schon ausmachen sollten.

FakeNews-Checker

Die gestern  in  Wissenschaft  und  Forschung  erschaffenen  teuren  Probleme  morgen  mit  noch  mehr  Kostenaufwand  beheben  ?    Die  Schildbürger  könnten  das  auch  nicht  besser.   Wäre  es  anders,  dann  gäbe  es  gar  nicht  diese  Probleme  von  Kurzzeitverträgen  im  chronischen  Geldmangel  von  Wissenschaft  und  Forschung.   Und  wohin  ginge  eigentlich  dafür  die  Reise,  wenn  sich  sowas  in  einer  Marktwirtschaft  nicht  rentiert  ?   Da  stecken  die  Verantwortlichen  weiterhin  den  Kopf  in  den  Sand  mit  ihrem  "Weiter  so".

Moderation

Schließung der Kommentarfunktion

Liebe Community,

die Kommentarfunktion für dieses Thema wird nun geschlossen.

Danke für Ihre rege Diskussion.

Mit freundlichen Grüßen

Die Moderation