Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes

Ihre Meinung zu BVerfG zur Strafverfolgung: Reform kassiert, Angehörige enttäuscht

Das Bundesverfassungsgericht hat die neue Regelung gekippt, mit der Freigesprochene wegen neuer Beweise nochmals angeklagt werden können. Unter den Richtern gab es aber Uneinigkeit. Und auch die Reaktionen sind gemischt. Von K. Hempel.

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158 Kommentare

Kommentare

Robert Wypchlo

Heute wurde faktisch sehr wahrscheinlich in Deutschland ein möglicher Mörder freigesprochen. Zum zweiten Mal. Weil seiner Klage nachgegeben wurde und er nicht wegen des gleichen Verbrechens zwei Mal verurteilt werden dürfe. Die Familie der im Jahre 1981 ermordeten jungen Frau braucht das Urteil heute keineswegs zu verstehen. Die deutsche Justiz hat sich heute sehr lächerlich gemacht.

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Coachcoach

Nein, die deutsche Justiz hat ihre Würde geschützt.

ich1961

Was ist denn an dem Urteil so lächerlich?

Neutrale Stimme

Wieso ist er denn zweimal verurteilt worden? Wurde er doch nicht, sondern bei der ersten Verhandlung freigesprochen. 

Ich gebe ihnen da recht, dieses Urteil wirft ein schlechtes licht auf unsere Rechtsordnung. 

rolato

Wieso ist er denn zweimal verurteilt worden? Wurde er doch nicht, sondern bei der ersten Verhandlung freigesprochen. 

So wurde geurteilt:

Als Tatverdächtiger wurde Ismet H. ermittelt, ein junger Mann, der in Celle wohnte. Das Landgericht Lüneburg verurteilte ihn am 1. Juli 1982 zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall an das Landgericht Stade, das Ismet H. 1983 freisprach.

Neutrale Stimme

Danke fuer diese Info. 

Robert Wypchlo

Nein. Zwei Mal wurde er nicht verurteilt. Er wurde noch nicht mal einmal verurteilt, sondern quasi das zweite Mal freigesprochen worden, obgleich es sich sehr wahrscheinlich um den Mörder handeln soll. Das macht die Ohnmacht der Justiz bzw. Lächerlichkeit aus. In jedem ähnlichen Fall könnte es künftig also genauso ausgehen. Gewiss. Es gab in den 1980er Jahren noch keine DNA-Analyse, doch wozu braucht man dann künftig noch Beweise, wenn es sich um den gleichen Fall und einen zweiten Prozess handelt?

Möbius

Das Urteil widerspricht dem Rechtsempfinden aller Bürger. Denn viele Menschen verbinden Rechtsprechung mit einem intuitiven Sinn für Gerechtigkeit. 

R A D I O

Wir sollten uns glücklich schätzen, dass die Kraft der Intuition bei der Urteilsfindung vor Gericht überwunden wurde. Ist ein zivilisatorischer Fortschritt. 

Adeo60

Nein. lieber Möbius, Recht und Gerechtigkeit sind zwei paar Stiefel, die sich nicht immer ergänzen und zueinander passen. Es geht in vielen Fällen auch um Rechtssicherheit und um den Rechtsfrieden. 

Ich mache kein Hehl daraus, dass auch ich mit dieser Entscheidung nicht glücklich bin, aber es gab und gibt gute Gründe dafür. 

Möbius

Gerade dem Rechtsfrieden wurde doch hier ein Bärendienst erwiesen. 

 

Staatsanwälte könnten nun davor zurückschrecken Anklagen gegen Tatverdächtige aufgrund von Indizien zu erheben. Wollen Sie das wirklich ? 

Sharky_ffm

Warum hat sich die deutsche Justiz lächerlich gemacht? Ganz im Gegenteil! Sie zeigt, dass sie funktioniert.

Was könnte sonst alles noch kommen? Wenn jemand nach Verbüßen der Haft entlassen wurde, machen wir ein Gesetz um ihn noch einmal einzusparen?

Lächerlich machen Sie diejenigen, die sofort herumstänkern, ohne das GG zu kennen bzw. verstanden zu haben.

 

 

 

Möbius

Das was Sie hier schildern hat mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun.

 

Genauso wie es Fehlurteile gibt die Unschuldige hinter Gitter bringen, müsste der Staat auch anerkennen das es Fehlurteile gibt die die Schuldigen freisprechen. 

 

Diese Chance auf eine gerechte Rechtsordnung hat das Verfassungsgericht nun beerdigt. 

Adeo60

Deutschland hat eine gerechte Rechtsordnung. Anders als in Russland ist die deutsche Justiz insbesondere unabhängig und nicht den Weisungen der Regierung unterworfen, also politisch motiviert.

Möbius

Oben haben Sie noch richtigerweise festgestellt das Recht und Gerechtigkeit nicht miteinander konform gehen müssen. 

 

Nun behaupten Sie, Deutschland habe eine „gerechte“ Rechtsordnung. Sie widersprechen sich! 

 

Und natürlich ist die deutsche Justiz nicht „unabhängig“, sonst wären Staatsanwälte keinem Weisungsrecht unterworfen. 

Neutrale Stimme

Was hat das jetzt mit Russland zu tun? Es gibt eine list von EU Staaten die es anders handhaben als Deustchland.

ich1961

einzusparen? ;-))  Geht natürlich auch.

////Lächerlich machen Sie diejenigen, die sofort herumstänkern, ohne das GG zu kennen bzw. verstanden zu haben.////

Ich habe das GG durchaus verstanden - trotzdem finde ich das Urteil nicht ok, weil nicht berücksichtigt wurde, das sich in der Ermittlungsarbeit/Forensik so viele Neuerungen ergeben haben, denen das Gesetz nicht Rechnung trägt 

(tragen konnte, weil es nicht vorhersehbar war, was alles möglich sein könnte) und nun ist die Neuerung abgeschmettert.

 

artist22

"(tragen konnte, weil es nicht vorhersehbar war, was alles möglich sein könnte) und nun ist die Neuerung abgeschmettert."

Vielleicht war es unsauber formuliert. Ich denke, es wäre eine Variante möglich gewesen, die dem BVerfG standhält. Auch oberste Richter nehmen an der Weiterentwicklung der Technik/Gesellschaft teil, hoffe ich doch.

rolato

Die deutsche Justiz hat sich heute sehr lächerlich gemacht.

Nein sondern nach Recht entschieden. Damals im Zweifel für den Angklagten. Er hat Glück gehabt, andere hatten Pech und wurden unschuldig verurteilt. Moralisch hat es natürlich ein anderes Gewicht. Es geht aber nach Recht in der Justiz.

Adeo60

Auch ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht. Aber mit Blick auf den klaren Wortlaut der Verfassung konnten die Richter wohl nur in besagter  Weise entscheiden. Auch für den Beschwerdeführer  dürfte dies ein Pyrrhus Sieg werden, denn er wird in der Öffentlichkeit immer als potentieller Mörder wahrgenommen werden, erhärtet durch seine Weigerung, sich erneut einem Gerichtsverfahren zu stellen. Es könnte deshalb  künftig durchaus Fälle geben, in denen ein nachträglich Beschuldigter die Zweifel an seiner Unschuld durch ein solches Gerichtsverfahren aus der Welt schaffen wollte. Dieser Weg ist ihm dann versperrt.

Olivia59

Es ist auch garnicht klar das er ein Mörder ist. Man hat neue Beweise, das Stichwort DNA klingt nach Eindeutigkeit und im Falle eines zweiten Verfahrens wird er dann vielleicht wieder freigesprochen, aber vielleicht klappt es im dritten und vierten Anlauf. Sie sehen das Problem?

Adeo60

Vielleicht wäre es für den potentiellen Täter besser gewesen, sich einem zweiten Verfahren zu stellen, um am, Ende tatsächlich als freier Mann den Gerichtssaal verlassen zu können. So aber werden wohl nicht wenige ihr eigenes Urteil über den Beschuldigten sprechen. Ob er sich damit einen Gefallen getan hat...?

Olivia59

Die Konsequenz ist doch genau anders herum. Wer im ersten Verfahren freigesprochen wird gilt noch lange nicht als unschuldig. Warten wir mal das zweite und dritte Verfahren ab.

R A D I O

Das ist keine Besonderheit der deutschen Justiz.

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist in Art. 50 'Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden' bestimmt:

"Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden."

Die Argumente sind dargelegt worden.

Sharky_ffm

Ob es mir gefällt oder nicht.

Dafür haben wir das BVerfG. Es prüft, ob Gesetze der Regierung "rechtens" sind. Und darüber bin ich sehr froh.

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ich1961

Sie haben ja recht, aber ich hätte mir für die Opfer und deren Angehörigen etwas anderes gewünscht.

Parsec

Froh über eine funktionierende Gerichtsbarkeit: ja. So etwas geht freilich nur "rechtssicher" in Demokratien wie etwa der unsrigen.

Allerdings halte ich das Urteil für "ungerecht", da man hier jedem Mörder eine Sicherheit bietet, nicht verurteilt werden zu können, wenn 1x ein Freispruch wegen Mangel an Beweisen erging, selbst dann nicht, wenn etwa plötzlich aufgetauchte Filmaufnahmen den Mörder eindeutig identifizieren würden.

Meiner Meinung nach sollte ein tatsächlicher Mörder im Falle eines ungerechtfertigten Freispruches ein Leben lang in Unsichicherheit verweilen, dass der letzte Beweis doch noch zutage treten könnte, der dann zu einer gerechten Verurteilung führen würde.

Vaddern

„Meiner Meinung nach sollte ein tatsächlicher Mörder im Falle eines ungerechtfertigten Freispruches ein Leben lang in Unsichicherheit verweilen, dass der letzte Beweis doch noch zutage treten könnte, der dann zu einer gerechten Verurteilung führen würde.“ 

Bei der Verfassung des Grundgesetzes ging man von dem gegenteiligen Fall aus. Ein Unschuldiger sollte nicht ständig in Angst leben müssen, noch einmal zu unrecht angeklagt zu werden. Das war im 3. Reich als Unrechtsstaat möglich. Daher haben unsere Verfassungsväter damals diesen Weg gewählt. Das ist im Hinblick auf den aktuellen Fall und die konsequente Auslegung des Verfassungsgerichts sehr tragisch. 

Coachcoach

Das ist richtig so. Das Gesetz war ein Angriff auf Rechtssicherheit - ein grundlegender Angriff auf ein richtig wichtiges Prinzip und damit auf die gesamte Grundlage des europäischen Strafechts.

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ich1961

Und wo bleibt die "Rechtssicherheit" der Opfer und deren Angehörigen?

 

Coachcoach

Die ist doch offensichtlich gegeben. Als der Beschudigte angeklagt wurde, war klar: Das bleibt die einzige Anklage, sobald das Urteil rechtskräftig ist.

Und dabei bleibt es.

Es steht der Familie frei, ein Verfahren entsprechend eines TOA anzustreben.

falsa demonstratio

"Und wo bleibt die "Rechtssicherheit" der Opfer und deren Angehörigen?"

Nach dem freisprechenden Urteil haben alle dieselbe Rechtssicherheit.

Neutrale Stimme

Das Rechtssicherheitsgesetz ist ein nationales Gesetz in Deutschland und hat keine direkte Geltung in anderen EU-Laendern. Jedes EU-Land hat seine eigenen Gesetze und Vorschriften im Bereich der Rechtssicherheit und Justizreform

Hanns Guck In Die Luft

Ich bin mir zwar ziemlich sicher, daß das Gesetz nicht dem europäischen Strafrecht widerspricht. Aber: Es widerspricht eindeutig den deutschem auf christlichem Fundament aufgebautem Römischen Rechts, bei dem Sühne und Vergebung anstelle perpetueller Vergeltung tritt. Insofern verstehe ich die Uneinstimmigkeit des Urteilsspruchs nicht, freue mich aber, daß die Richter dieses Gesetz wenigstens mehrheitlich abgelehnt haben.

Kokolores2017

Eine Begründung des Verfassungsgerichts ist nötig. Der Angeklagte im ersten Prozess wurde mangels Beweisen freigesprochen. Wenn später aber Beweise aufgrund neuer Techniken vorliegen, muss es eine Möglichkeit zu einem zweiten Prozess geben. Etwas anderes ist es, wenn nach so langer Zeit die DNA-Spuren auch nur ein Indiz, aber keinen schlüssigen Beweis liefern. 

Parsec

Mit Ihrer provokanten und bewusst auf Konfrontation ausgehend formulierten "Begründung" tun Sie so, als hätten die Entscheidungsträger des Urteils es sich viel zu schwer gemacht.

Sachlich völlig falsch ist es zudem, das gekippte Gesetz als "Angriff" zu bezeichnen.

Mit welcher Begründung sollte sich ein Mörder auf (noch) fehlende Beweise berufen können und seine Freiheit genießen? Ist es nicht vielmehr gerecht, einen wahren Mörder hinter Gittern zu bringen?

Ich glaube Ihrem Statement kein Wort. 

Coachcoach

Ich weiß und bin froh.

Möbius

Nein, das Urteil bedeutet die Abkehr vom Prinzip der Wahrheitsfindung. 

 

Es untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz. 

Adeo60

Die deutsche Justiz genießt hohes Vertrauen in der Bevölkerung, gerade auch weil sie ihre Grenzen offen kommuniziert. 

Das Vertrauen in die russische Justiz ist dagegen tief erschüttert, wenn u.a. Menschen, die ein weißes Blatt Papier in den Händen tragen oder den Krieg nur als solchen bezeichnen, in Straflager geschickt werden.

So wie im russischen Fernsehen Deutschland unterstellt wird, keine demokratischen Grund- und Freiheitsrechte zu gewähren, so versuchen Sie offenkundig einen Vertrauensverlust in die Rechtsstaatlichkeit zu konstruieren. 

ich1961

Die Enttäuschung kann ich nachvollziehen.

Ich hatte auch auf eine Bestätigung gehofft.

Die Forensik entwickelt sich in einer Schnelligkeit weiter, die einfach keine Berücksichtigung in dem alten Gesetz finden konnte. Und nun auch erstmal nicht finden wird.

Die Änderung hätte doch "nur die schweren Verbrechen betroffen". Da wäre es m. M. n. durchaus auch angebracht, die Opfer mal nach vorne zu stellen.

 

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Olivia59

Wenn man Verfahren gegen die Falschen führt und es zu einem Freispruch kommt, dann sind diese Menschen auch als eine Art Opfer anzusehen, denen man nicht zumuten kann das die Bedrohung durch weitere Strafverfolgung inkl. aller Folgen für das Privatleben bis an ihr Lebensende hinzunehmen ist.

falsa demonstratio

"Die Änderung hätte doch "nur die schweren Verbrechen betroffen". Da wäre es m. M. n. durchaus auch angebracht, die Opfer mal nach vorne zu stellen."

Die Beschränkung auf schere Verbrechen würde spätestens dann ins Rutschen geraten, wenn im zweiten Prozess zwar der Nachweis  des (verjährten) Totschlags, nicht jedoch des (unverjährten) Mordes gelänge. 

Der Angeklagte wäre dann wohl (erneut) freizusprechen und zwar diesmal obwohl ersichtlich wäre, dass er die Tat begangen hat.

Ich bin mir sehr unsicher, ob damit dem Anliegen der Angehörigen des Opfers geholfen wäre.

Neutrale Stimme

Wenn jemand kein Verbrechen beging, dann braucht er sich auch keine Sorgen machen ober er spaeter fuer dieses vor Gericht kommt. 

Ich finde, dieses Gesetz kommt nur den Kriminellen zugute, die sich durch einen fehlerhaften Freispruch entziehen koennen. 

Auf der anderen Seite, kann ein zu Unrecht Verurteilter jederzeit freikommen, sobald entlastende Beweise gefunden werden.

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Coachcoach

Der Freispruch war nicht fehlerhaft.

Neutrale Stimme

Da haben Sie recht. Leider werden wir dies nicht herausfinden, da es keinen weiteren Prozess gibt. Dennoch ist die Beweislage bereits aeußerst ueberzeugend.

Coachcoach

Ich kenne nur Presseberichte, nicht die Beweislage, daher kann in letztere nich beurteilen.

falsa demonstratio

"Wenn jemand kein Verbrechen beging, dann braucht er sich auch keine Sorgen machen ober er spaeter fuer dieses vor Gericht kommt. "

Lesen Sie bei Wikipedia die "Liste der Justizirrtümer in der deutschen Rechtsprechung".

"Auf der anderen Seite, kann ein zu Unrecht Verurteilter jederzeit freikommen, sobald entlastende Beweise gefunden werden."

Mit der Schwierigkeiten eines Wiederaufnahmeverfahrens zugunsten des Verurteilten , sollten Sie sich in einer ruhigen Minute einmal befassen.

 

Neutrale Stimme

"Mit der Schwierigkeiten eines Wiederaufnahmeverfahrens zugunsten des Verurteilten , sollten Sie sich in einer ruhigen Minute einmal befassen."

Das ist mir auch bewusst, kann aber auch in die andere Richtung angewand werden. Das es ein weiteres Verfahren z.b nur mit schweren Beweisen geben kann. Machen die meissten anderen Staaten so. 

harpdart

Richtig, Justizirrtümer sind meines Erachtens noch schlimmer. Besonders, wenn Verurteilte schon hingerichtet wurden, bevor neue Beweise für ihre Unschuld sprachen. Siehe USA, dort kam das schon häufiger vor. Ein Argument gegen die Todesstrafe, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann wenn vollzogen.

Olivia59

Na dann viel Spass wenn sie sich fälschlicherweise in einem Gerichtsprozess wiederfinden und sich das dann nicht nur einmal sondern mehrfach wiederholt, weil Sie es ja vielleicht doch waren und wenn nicht fehlen einfach noch Beweise.

Neutrale Stimme

Hierbei geht es nicht einfach darum, einen erneuten Gerichtsprozess zu initiieren. Vielmehr müssen schwerwiegende Beweise und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Vaddern

„Wenn jemand kein Verbrechen beging, dann braucht er sich auch keine Sorgen machen ober er spaeter fuer dieses vor Gericht kommt.“ 

Genau das ist nicht der Fall. Genau weil dem nicht so ist, haben die Väter und Mütter der Verfassung so formuliert. Im 3. Reich war es üblich, Menschen erneut vor Gericht zu verantworten, und wir wissen heute, oft genug Unschuldige. Und neue Erkenntnisse und Methoden könnten ein Jahrzehnt später ja auch wieder widerlegt werden. Es ist nun mal nicht so einfach, daher auch das zwiegestaltene Abstimmungsverhalten des Verfassungsgerichts. 

Jim456

Mord verjährt nicht. Somit sollte auch eine erneute Bewertung eines Urteils, zu Lasten oder zur Entlastung eines Angeklagten auch immer und jederzeit möglich sein. 

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SydB

Nein, eben nicht. Der vermeintliche Täter wurde freigesprochen. 

rolato

Hier ist auch nichts verjährt, sondern nach damaligem Recht auf Grund der mangelnden Beweislage ein Freispruch erfolgt. 

artist22

"Mord verjährt nicht." Das ist aber auch nicht das Problem. Es geht um das Doppelbestrafungsverbot.

Ich habe allerdings bei dem Urteil meine Probleme mit dem ggf. besonders zu beurteilenden Einzelfall.

Ich hätte z.B: sehr harte Auflagen für eine Wiederaufnahme vorgezogen. z.B:neue Erkenntnisse der Wissenschaft, die bei der ersten Verurteilung nicht bekannt waren, oder belegbare Verfahrensfehler in der ersten Verhandlung, die erst später bekannt wurden.

Damit wäre dem Rechtsfrieden mehr gedient, denke ich.

Izmi

Das sehe ich genauso. Zumal erst heute mit Hilfe der Gentechnik Morde aufgeklärt werden können. Mangelhafte Technik zu Zeiten einer Tat darf nicht zu Straffreiheit führen. 

Parsec

".... verweist ... auf Artikel 103 Absatz 3 Grundgesetz. Danach ist es verboten, jemanden aufgrund derselben Tat zweimal zu bestrafen"
Dieser Verweis des BVerfG begründet m.E. nicht die Unzulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens bei neuen Beweisen, die dem Gericht damals noch nicht vorlagen.

 "... . Es sei auch verboten, jemanden mehrmals aufgrund derselben Tat strafrechtlich zu verfolgen"
Für mich in diesem Wortlaut nicht nachvollziehbar. Insofern doch durch neue Beweise ein Justizirrtum vermieden werden kann, darf m.E der Rechtsstaat nicht untätig bleiben.

. Rechtssicherheit des Einzelnen, des Freigesprochenen ein höheres Gewicht als der Anspruch des Staates auf Strafverfolgung."
Völlig falscher Ansatz!
Warum sollten Mörder Rechtssicherheit durch Mangel an Beweise genießen?
Das Gegenteil wäre richtig: Ein tatsächlicher Mörder darf sich niemals auf einen Freispruch durch Mangel an Beweisen in Sicherheit wähnen. Er müsste ständig d. Auffinden aller Beweise fürchten.

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Coachcoach

Auch ein unschuldig Verfolgter kann sich nie sicher sein - wollen Sie das?

Beweise - darüber entscheidet ein Gericht, ob sie gelten oder nicht.

Die Polizei/ die Staatsanwaltschaft messen ihre Erfolger leider zu oft und fälschlicherweise an Verurteilungen.

Parsec

"Auch ein unschuldig Verfolgter kann sich nie sicher sein - wollen Sie das?"

Sie fehlinterpretieren mich, entweder bewußt oder unbeabsichtigt. Glauben Sie denn ernsthaft, dass ein Unschuldiger fürchten muss, doch noch wegen eines Fehlurteils hinter Gittern zu müssen? Sorry, das ist wirklich arg konstruiert.

Drehen wir doch den Spieß um: Auch ein Mörder muss mal Glück haben, dass man ihm die Tat nicht nachweisen kann, wollen Sie das

 

 

Neutrale Stimme

100%. Dieses Urteil macht keinen Sinn. 

In Spanien, England, Frankreich, Griechenland, Schweden,  Italien etc. kann man doch noch verurteilt werden wenn schwerwiegende neue Bewesie auftauchen, selbt wenn man beim ersten mal freigesprochen wurde.

artist22

"In Spanien, England, Frankreich, Griechenland, Schweden,  Italien etc. kann man"

Unerheblich. Dort wurden ja auch kein 'Willkürschutz' in deren Verfassungen eingebaut. Es ist eben komplizuierter als gedacht.

Gerade in D gibt es genug Erfahrung mit Bürokraten, die auch ggf. 'schnell neue Beweise' finden. Man denke nur an eine AfD-Justiz ;-)

Trotzdem wäre ich bei speziellen Fällen wie diesen für eine prinzipielle Möglichkeit, aber mit wirklich harten nachprüfbaren Auflagen für eine Wiederaufnahme - auch von Justizlaien.

Ob das dann verfassungsgemäss wäre, entscheidetv das deutsche Verfassunsgericht,  wie gerade geschehen.

Möbius

Das ist ja absurd !

 

Trauen Sie deutschen Gerichten keine objektive Beweiswürdigung mehr zu ? 

Parsec

Dann wird sichhoffentlich sehr bald die Politik mit dem Passus in unserer Verfassung befassen müssen.

Ich könnte mit gut vorstellen, dass das Urteil noch Wellen schlägt. 

falsa demonstratio

"In Spanien, England, Frankreich, Griechenland, Schweden,  Italien etc. kann man doch noch verurteilt werden wenn schwerwiegende neue Bewesie auftauchen, selbt wenn man beim ersten mal freigesprochen wurde."

Sie haben Unrecht: In Spanien, Frankreich und Griechenland ist eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten wegen neuer Tatsachen nicht möglich.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat eine Rechtsvergleichung vorgenommen. Das BVerfG hat in seinem Urteil festgestellt: "Eine Wiederaufnahme zuungunsten der betroffenen Person ist in sieben der ausgewerteten Staaten [ .... ] insgesamt unzulässig. In weiteren sieben Staaten ist sie beschränkt auf gefälschte Beweismittel, Falschaussagen oder andere Verfahrensfehler wie Korruption, Bestechung oder Amtsmissbrauch (propter falsa) vorgesehen. In 17 Staaten ist dagegen mit Unterschieden im Einzelnen eine ungünstige Wiederaufnahme auch aufgrund  neuer Tatsachen oder Beweismittel (propter nova) möglich."

Neutrale Stimme

Dan lesen Sie nochmal deren Gesetze.

In Schweden, wie in vielen anderen Laendern, ist die Moeglichkeit, ein zweites Verfahren oder eine Wiederaufnahme eines Falles zu erhalten, in der Regel begrenzt und unterliegt bestimmten rechtlichen Voraussetzungen. Hier die Umstaende, unter denen es moeglich ist, ein zweites Verfahren in Schweden zu beantragen:

Neue Beweise: Wenn neue und entscheidende Beweise auftauchen, die im urspruenglichen Prozess nicht verfuegbar waren und die das Urteil moeglicherweise beeinflusst haetten, kann ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt werden.

Fehler im Verfahren: Wenn im urspruenglichen Verfahren schwerwiegende Verfahrensfehler begangen wurden und diese Fehler das Ergebnis des Verfahrens beeinflusst haben koennten, kann dies ein Grund für eine Wiederaufnahme sein.

Menschenrechtsverletzungen, Einseitige oder voreingenommene Verfahren etc. 

jaja...

Im Zweifel gegen den Angeklagten ...
Völlig falscher Ansatz ... 
Justiz durch Populismus zu ersetzen heißt Willkür. 
 

Carlos12

Die Verfassung besagt, das Niemand wegen dem selben Verbrechen zwei Mal angeklagt werden darf. Die Richter durften nicht anders entscheiden, so sehr es in diesem Fall auch weh tut.

Wenn man das Gesetz dahingehend anpassen will, dass neue Beweise gewürdigt werden dürfen, muss man die Verfassung ändern.

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Parsec

So sehe ich das.

Ich kenne zwar den genauen Wortlaut zu diesem Thema in der Verfassung nicht, aber eine Fehlinterpretation der Darlegung in der Verfassung zur Urteilsbegründung würde ich eigentlich ausschließen.

Natürlich reicht die vorgetragene Begründung "darf nicht zweimal bestraft werden" hier überhaupt nicht aus, schließlich wurde der eventuelle Mörder ja noch gar nicht bestraft.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum ein Mörder sich seines Lebens freuen dauf, nur weil das so im Grundgesetz steht.

M.E. ist hier die Politik gefragt, den entscheidenden Passus zu ändern. Maximal mit dem Kompromiss, nur schwerste Delikte darunter zu nehmen. 

 

Parsec

"... muss man die Verfassung ändern.... "

Ich weiß.

Und hier wurde Recht im Unrecht gesprochen.

Insofern den Richtern des BVerfG keine handwerklichen Fehler unterlaufen sind, müsste nun das GG, sprich die Verfassung in diesem Punkt korrigiert werden.

Warum sollte man wegen eines Justizirrtums wegen Mangel an Beweisen Mörder frei rumlaufen lassen? 

artist22

"Und hier wurde Recht im Unrecht gesprochen." 

Unsinn. Sie entscheiden nicht was Recht oder Unrecht ist. Zum Glück. Auch interessant wie die Kopf-ab-Jaegers hier zunehmend auftauchen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Jaeger

War aber in unserem schönen Deutschland schon zu erwarten ;-)

ich1961

Die Änderung ist doch heute krachend gescheitert:

jaja...

... weil wir uns in einem Rechtsstaat befinden, der nicht davon bestimmt wird, ob es dem Publikum passt.
Sie haben Ihr Urteil längst gefällt. Ohne Prozess. Ihr gutes Recht.  
Aber das GG ändern, damit dem Populismus Genüge getan wird, geht dann schlicht zu weit.

Möbius

Das GG muss geändert werden um die Rechtsordnung zu heilen und nicht weil es Populistisch geboten wäre ! 

HilliBilli70

Es geht doch nicht um Populismus. Es geht darum, dass jemand für eine schwere Straftat (Mord) eventuell nicht bestraft worden ist. Dies weil es zum damaligen Zeitpunkt nicht bewiesen werden konnte. Rechtssicherheit ist sicherlich wichtig und deshalb gibt es Verjährung und so weiter.

Hier handelt es sich aber um ein schweres Kapitalverbrechen und keinen Falschparker . Warum sollte ein Mörder nach einem Urteil (wegen damals fehlenden Beweisen) sich den Rest seines lebens sicher fühlen, während die Angehörigen des Opfers kein normales Leben mehr führen können.