Ihre Meinung zu BVerfG zur Strafverfolgung: Reform kassiert, Angehörige enttäuscht
Das Bundesverfassungsgericht hat die neue Regelung gekippt, mit der Freigesprochene wegen neuer Beweise nochmals angeklagt werden können. Unter den Richtern gab es aber Uneinigkeit. Und auch die Reaktionen sind gemischt. Von K. Hempel.
Heute wurde faktisch sehr wahrscheinlich in Deutschland ein möglicher Mörder freigesprochen. Zum zweiten Mal. Weil seiner Klage nachgegeben wurde und er nicht wegen des gleichen Verbrechens zwei Mal verurteilt werden dürfe. Die Familie der im Jahre 1981 ermordeten jungen Frau braucht das Urteil heute keineswegs zu verstehen. Die deutsche Justiz hat sich heute sehr lächerlich gemacht.
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Nein, die deutsche Justiz hat ihre Würde geschützt.
Was ist denn an dem Urteil so lächerlich?
Wieso ist er denn zweimal verurteilt worden? Wurde er doch nicht, sondern bei der ersten Verhandlung freigesprochen.
Ich gebe ihnen da recht, dieses Urteil wirft ein schlechtes licht auf unsere Rechtsordnung.
Wieso ist er denn zweimal verurteilt worden? Wurde er doch nicht, sondern bei der ersten Verhandlung freigesprochen.
So wurde geurteilt:
Als Tatverdächtiger wurde Ismet H. ermittelt, ein junger Mann, der in Celle wohnte. Das Landgericht Lüneburg verurteilte ihn am 1. Juli 1982 zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall an das Landgericht Stade, das Ismet H. 1983 freisprach.
Danke fuer diese Info.
Nein. Zwei Mal wurde er nicht verurteilt. Er wurde noch nicht mal einmal verurteilt, sondern quasi das zweite Mal freigesprochen worden, obgleich es sich sehr wahrscheinlich um den Mörder handeln soll. Das macht die Ohnmacht der Justiz bzw. Lächerlichkeit aus. In jedem ähnlichen Fall könnte es künftig also genauso ausgehen. Gewiss. Es gab in den 1980er Jahren noch keine DNA-Analyse, doch wozu braucht man dann künftig noch Beweise, wenn es sich um den gleichen Fall und einen zweiten Prozess handelt?
Das Urteil widerspricht dem Rechtsempfinden aller Bürger. Denn viele Menschen verbinden Rechtsprechung mit einem intuitiven Sinn für Gerechtigkeit.
Wir sollten uns glücklich schätzen, dass die Kraft der Intuition bei der Urteilsfindung vor Gericht überwunden wurde. Ist ein zivilisatorischer Fortschritt.
Nein. lieber Möbius, Recht und Gerechtigkeit sind zwei paar Stiefel, die sich nicht immer ergänzen und zueinander passen. Es geht in vielen Fällen auch um Rechtssicherheit und um den Rechtsfrieden.
Ich mache kein Hehl daraus, dass auch ich mit dieser Entscheidung nicht glücklich bin, aber es gab und gibt gute Gründe dafür.
Gerade dem Rechtsfrieden wurde doch hier ein Bärendienst erwiesen.
Staatsanwälte könnten nun davor zurückschrecken Anklagen gegen Tatverdächtige aufgrund von Indizien zu erheben. Wollen Sie das wirklich ?
Warum hat sich die deutsche Justiz lächerlich gemacht? Ganz im Gegenteil! Sie zeigt, dass sie funktioniert.
Was könnte sonst alles noch kommen? Wenn jemand nach Verbüßen der Haft entlassen wurde, machen wir ein Gesetz um ihn noch einmal einzusparen?
Lächerlich machen Sie diejenigen, die sofort herumstänkern, ohne das GG zu kennen bzw. verstanden zu haben.
Das was Sie hier schildern hat mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun.
Genauso wie es Fehlurteile gibt die Unschuldige hinter Gitter bringen, müsste der Staat auch anerkennen das es Fehlurteile gibt die die Schuldigen freisprechen.
Diese Chance auf eine gerechte Rechtsordnung hat das Verfassungsgericht nun beerdigt.
Deutschland hat eine gerechte Rechtsordnung. Anders als in Russland ist die deutsche Justiz insbesondere unabhängig und nicht den Weisungen der Regierung unterworfen, also politisch motiviert.
Oben haben Sie noch richtigerweise festgestellt das Recht und Gerechtigkeit nicht miteinander konform gehen müssen.
Nun behaupten Sie, Deutschland habe eine „gerechte“ Rechtsordnung. Sie widersprechen sich!
Und natürlich ist die deutsche Justiz nicht „unabhängig“, sonst wären Staatsanwälte keinem Weisungsrecht unterworfen.
Was hat das jetzt mit Russland zu tun? Es gibt eine list von EU Staaten die es anders handhaben als Deustchland.
einzusparen? ;-)) Geht natürlich auch.
////Lächerlich machen Sie diejenigen, die sofort herumstänkern, ohne das GG zu kennen bzw. verstanden zu haben.////
Ich habe das GG durchaus verstanden - trotzdem finde ich das Urteil nicht ok, weil nicht berücksichtigt wurde, das sich in der Ermittlungsarbeit/Forensik so viele Neuerungen ergeben haben, denen das Gesetz nicht Rechnung trägt
(tragen konnte, weil es nicht vorhersehbar war, was alles möglich sein könnte) und nun ist die Neuerung abgeschmettert.
"(tragen konnte, weil es nicht vorhersehbar war, was alles möglich sein könnte) und nun ist die Neuerung abgeschmettert."
Vielleicht war es unsauber formuliert. Ich denke, es wäre eine Variante möglich gewesen, die dem BVerfG standhält. Auch oberste Richter nehmen an der Weiterentwicklung der Technik/Gesellschaft teil, hoffe ich doch.
Die deutsche Justiz hat sich heute sehr lächerlich gemacht.
Nein sondern nach Recht entschieden. Damals im Zweifel für den Angklagten. Er hat Glück gehabt, andere hatten Pech und wurden unschuldig verurteilt. Moralisch hat es natürlich ein anderes Gewicht. Es geht aber nach Recht in der Justiz.
Auch ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht. Aber mit Blick auf den klaren Wortlaut der Verfassung konnten die Richter wohl nur in besagter Weise entscheiden. Auch für den Beschwerdeführer dürfte dies ein Pyrrhus Sieg werden, denn er wird in der Öffentlichkeit immer als potentieller Mörder wahrgenommen werden, erhärtet durch seine Weigerung, sich erneut einem Gerichtsverfahren zu stellen. Es könnte deshalb künftig durchaus Fälle geben, in denen ein nachträglich Beschuldigter die Zweifel an seiner Unschuld durch ein solches Gerichtsverfahren aus der Welt schaffen wollte. Dieser Weg ist ihm dann versperrt.
Es ist auch garnicht klar das er ein Mörder ist. Man hat neue Beweise, das Stichwort DNA klingt nach Eindeutigkeit und im Falle eines zweiten Verfahrens wird er dann vielleicht wieder freigesprochen, aber vielleicht klappt es im dritten und vierten Anlauf. Sie sehen das Problem?
Vielleicht wäre es für den potentiellen Täter besser gewesen, sich einem zweiten Verfahren zu stellen, um am, Ende tatsächlich als freier Mann den Gerichtssaal verlassen zu können. So aber werden wohl nicht wenige ihr eigenes Urteil über den Beschuldigten sprechen. Ob er sich damit einen Gefallen getan hat...?
Die Konsequenz ist doch genau anders herum. Wer im ersten Verfahren freigesprochen wird gilt noch lange nicht als unschuldig. Warten wir mal das zweite und dritte Verfahren ab.
Das ist keine Besonderheit der deutschen Justiz.
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist in Art. 50 'Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden' bestimmt:
"Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden."
Die Argumente sind dargelegt worden.