Firat Tagal

Ihre Meinung zu Künstler mit Behinderung: "Wir sehen Kunst entstehen, die man liebt"

Im kaethe:k Kunsthaus in Pulheim arbeiten Künstlerinnen und Künstler, die eine Behinderung haben. Kunstpädagogen und Sozialarbeiterinnen helfen ihnen dabei, sich zu entwickeln - als Menschen und in ihrer Kunst. Von Susanna Zdrzalek.

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123 Kommentare

Kommentare

rolato

So funktioniert Gesellschaft. Wir wollen doch alle weiterkommen, das ist die Botschaft.

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nie wieder spd

Nein. Die Botschaft ist, dass wir alle nur machen sollten, was wir gerne machen. 

rolato

Das geht nicht absolut, weil man dann auch die Grenzen und die Freiheit anderer verletzt bzw. einschränkt.

Schneeflocke ❄️

"Die Botschaft ist, dass wir alle nur machen sollten, was wir gerne machen."

 

Dann hätten wir auch viel mehr Erfolg und würden unser Leben mehr genießen und der Gemeinschaft viel mehr geben können. Leider ist es oft so, dass ein großer Teil der Bevölkerung Dinge gerne machen soll, die keiner machen will. Häufig anzutreffen in Billiglohn-Ausbeuterjobs. 

nie wieder spd

„Jetzt stehen ihre Potenziale im Vordergrund.“

Das wäre ja mal ein völlig neuer und bisher kaum vorstellbarer Ansatz für die Werkstätten für behinderte Menschen. 

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Vector-cal.45

Warum?

So neu ist das keinesfalls. Es gibt in quasi jeder betreuten Einrichtung für Behinderte auch Kunstprojekte und eine individuelle Förderung der Kreativität.

Was allerdings rein gar nichts mit der Arbeit der Behinderten z. B. in den Werkstätten zu tun hat.

w120

Warum nicht?

 

Sie dürfen doch auch Elektroschrott recyclen.

 

Das wäre zumindest ein Projekt, was man in den Tageslauf dort einbinden könnte.

Schluss mit dem AFD Gedöns

Was allerdings rein gar nichts mit der Arbeit der Behinderten z. B. in den Werkstätten zu tun hat.

Das verstehe ich nicht. Warum sollen künstlerische und kreative Fähigkeiten von Behinderten dort nicht einfließen dürfen? Ich habe das Gefühl, Sie zeichnen uns hier ein unfassbar eindimensionales Bild der Welt.

Vector-cal.45

Oder um es mal andersrum auszudrücken:

Dass ich ein selbstverständlich absolut geniales und Zeit meines Lebens sträflich unterbewertetes, verkanntes Musikgenie bin, interessiert an meinem Arbeitsplatz skandalöserweise einfach niemanden.

Schluss mit dem AFD Gedöns

Dass ich ein selbstverständlich absolut geniales und Zeit meines Lebens sträflich unterbewertetes, verkanntes Musikgenie bin, interessiert an meinem Arbeitsplatz skandalöserweise einfach niemanden.

Das kommt ja wohl darauf an, wo Sie arbeiten.

Schluss mit dem AFD Gedöns

„Jetzt stehen ihre Potenziale im Vordergrund.“ Das wäre ja mal ein völlig neuer und bisher kaum vorstellbarer Ansatz für die Werkstätten für behinderte Menschen.

Nein, das ist überhaupt nicht neu. Sie müssten sich nur besser informieren.

nie wieder spd

Ich habe 22 Jahre in einer Einrichtung für behinderte Menschen gearbeitet und das in unmittelbarer Nachbarschaft einer großen Förderschule und einer mittelgroßen Werkstatt für behinderte Menschen. Wichtig für alle solche Einrichtungen ist, dass die Klienten ebenso wie das Personal Spaß am Leben und Spaß an ihrer Arbeit haben. Leider fehlt es aber an allen Ecken und Enden und die finanzielle und personelle Ausstattung sowie die Bezahlung ist einfach nur unterirdisch. In jedem Bereich. Jedem, der dort wohnt u/o arbeitet, wird das Leben nur viel schwerer gemacht, als es sein müsste und als es ohnehin schon ist. Und selbst in einem Betrieb wie einer Werkstatt für behinderte Menschen geht es um die Profitabilität, die oft genug auch jegliches Vergnügen an der Arbeit zunichte macht. Daß die behinderten Menschen dort auch nur Hungerlöhne bekommen dient ebenfalls nicht den Menschen. 

Juwa

Ja sehe ich auch so.

Der nächste Schritt wäre dann noch die Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.

R A D I O

In den Kunstbetrieb.

Anderes1961

"Fast alle haben eine Förderschule besucht, waren danach in Behindertenwerkstätten oder in Hilfsarbeiterjobs."

Ich habe mich seit jungen Jahren schon gefragt, was in Förderschulen gefördert wird. Von Kleinauf bin ich in verschiedenster Weise mit Behinderten und mit vielen Formen von Behinderungen in Berührung gekommen. Meine Mutter war gehörlos. Als Musiker (Hobby) habe ich (wir) für Behinderte (unter anderem geistig Behinderte) und mit Behinderten Musik gemacht. Ich habe körperbehinderte Freunde.

Niemand konnte mir sagen, warum es richtig ist, daß Behinderte meistens Förderschulen besuchen um dann letztlich doch in irgendwelchen Hilfsarbeiterjobs zu landen. Es ist eigentlich unerträglich, was heute noch mit diesen Menschen geschieht.

Vor einiger Zeit habe ich mal eine Dokumentation gesehen über geistig Behinderte. Der Titel des Films ist ein Wort, daß sich einer der Protagonisten ausgedacht hat, um zu beschreiben, was in Ihm vorgeht:

Kopfleuchten

Es wird höchste Zeit für Inklusion.

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w120

Da ich ein Kind, wird jetzt 46 "g", habe, das schwerst geistig und körperlich behindert ist und deshalb in die Fördergruppe einer Behindertenwerkstatt geht, kann ich bei dem Thema mit eigenen Erfahrungen dienen.

Stichwort aktuell ist für mich, die Beförderung dieser schutzbedürftigen Menschen.

Nicht gesetzlich geregelt, Zeiten bis über 60 Minuten (bei Bus 35 Min) müssen hingenommen werden.   

nie wieder spd

Das Problem ist, dass unser System auch aus den besten Ansätzen immer nur versucht ein (mieses) Geschäft zu machen. Beim Geschäft mit den behinderten Menschen machen dann sogar die sozialorientierten Mitbürger mit, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. 

Anderes1961

Manche möchten sich vielleicht ein gutes Gewissen erkaufen. Natürlich möglichst billig. 

Anderes1961

Ja, es ist wirklich traurig, wie heute noch Behinderten umgegangen wird, auch seitens Politik und Verwaltung. Ich balle gerade meine Faust in der Tasche.

Es ist auch erschreckend, wo Behindertenwerkstätten plaziert werden. Wenn man schon glaubt, daß sie notwendig wären (sind sie nicht), plaziert man sie sehr häufig j.w.d. wie der Berliner sagt; Janz weit draußen, damit möglichst kein "Normaler" mit Behinderungen in Berührung kommen muß. Ist bei uns in der Gegend leider nicht anders.

Aber davon abgesehen bin ich der Ansicht, daß die Zeit der Behindertenwerkstätten und Förderschulen ohnehin abgelaufen ist. Sie waren ein Fortschritt im Vergleich zu dem, wie man mit diesen Menschen umging, bevor es solche Einichtungen gab.

Jetzt ist es aber höchste Zeit, daß die Menschen weitere Fortschritte machen und Behinderte in ihr Umfeld integrieren und nicht in die Pampa abschieben, um es mal salopp zu sagen. Andere Länder sind was Inklusion betrifft, uns um Jahrzehnte voraus. 

w120

Es ist sicherlich schwer den verschiedensten Bedürfnissen dieser Menschen gerecht zu werden.

Aber gerade auf diesen Gebieten liegt es oft wirklich am mangelnden Geldeinsatz.

schabernack

➢  Stichwort aktuell ist für mich, die Beförderung dieser schutzbedürftigen Menschen. Nicht gesetzlich geregelt, Zeiten bis über 60 Minuten (bei Bus 35 Min) müssen hingenommen werden.

Ich habe meinen Zivi gemacht beim DRK in Köln als Taxi Driver for the Handicapped. Es gab zwei Dienste und Arten von Fahrten.

Einerseits Taxi-Rufbereitschaft in Köln. Kurze Fahrten zu Ärzten, zum Einkaufen, zu Verwandten & Freunden. Sitzplatz Passagiersitz Rückbank, oder mit Hebebühne im Rollstuhl gesichert hinten im Wagen. Damals Ford Transit mit langem Radstand.

Andererseits «Touren». Strecken, auf denen man unterschiedliche viele Passagiere «einsammeln» musste, sie dann weit im Norden von Köln zur GWK Pesch bringen.

Die weiteste Tour war bis nach Weilerswist (Erftkreis). Jenen Mann im Rollstuhl hinten ins Auto hinein tun, dann die anderen abholen.

Nachmittags umgekehrt zurück. Der Mann war morgens der Erste, abends der Letzte. Er saß tägl. > 120 min. hinten im Taxi.

Aber wie anders machen …?

w120

Wenn schon die direkte Entfernung eine entsprechende Zeit in Anspruch nimmt, dann wäre die Situation anders zu beurteilen.

 

Aber mit dem Auto in 15 Min, mit dem Bus in 35 Min, so aber über 60 Min, da kann man einen Bus mehr einsetzen.

Vector-cal.45

„Förderschule“ ist doch lediglich ein möglichst sensibel-wertneutraler und unspezifischer Begriff für Schulen für Kinder und Jugendliche mit irgendwie gearteten besonderen Einschränkungen oder Problemen.

Welche ich politisch 100%ig korrekt wahrscheinlich als „anders begabt“ oder sowas in der Art bezeichnen müsste. 

Auch unser Großer besuchte die ersten beiden Schuljahre eine solche Förder-Schule, aufgrund seiner Probleme im Erkennen von Grenzen (anderer und von sich selbst, Asperger-Symptomatik) und seinen Konzentrationsschwierigkeiten.

Ihm hat das zumindest etwas geholfen. Kein Wunder bei Klassen mit 8-10 Schülern und jedes Kind mit eigenem Bezugs-Betreuer.

Ihr plakativer Abschluss-Satz hat leider mit der Realität nichts zu tun. Gerade für Kinder mit ausgeprägteren kognitiven Einschränkungen ist die Teilnahme am Unterricht einer Regelschule kaum zu gewährleisten. Die Lehrkräfte überfordert, die Klassen zu groß, der Schulstoff zu schnell etc.

nie wieder spd

„Kein Wunder bei Klassen mit 8-10 Schülern und jedes Kind mit eigenem Bezugs-Betreuer.“

Das müsste das Konzept für jede Schulform sein. Dann klappt es auch mit der Bildung unserer Kinder und mit dem sozialen miteinander.

Anderes1961

Wir haben schon mal darüber diskutiert. Ich streite auch gar nicht ab, daß der Besuch einer Förderschule Ihrem Großen geholfen haben mag, wie Sie glauben. Sie können aber nicht beurteilen, in wie weit es Ihm geschadet hat (ich auch nicht), insofern, daß ihm zum Beispiel viele Erfahrungen, die er im Umgang mit "Normalen" hätte lernen können, vorenthalten wurden. 

Und sagen Sie mir nicht, ich könne nicht beurteilen, was gut für Ihr Kind sei. Ich habe die psyhchische Disposition als high sensitive person. Es ist quasi das genaue Gegenteil von Autisten (Asperger ist eine Sonderform des Autismus) haben, teilen sich aber ansonsten eine ganze Menge Probleme mit Autisten, aber auch manche Talente (Stichwort Inselbegabung).

Und Nein, es gibt keine Notwendigkeit von Förderschulen für Behinderte. Nichts von dem, was Förderschulen leisten, könnte nicht auch in normalen Schulen geleistet werden. Man braucht halt nur entsprechend geschultes Personal.

nie wieder spd

„Man braucht halt nur entsprechend geschultes Personal.“

Richtig. Und kleinere Klassen, insgesamt viel mehr bestes Personal, bessere bzw. ausschließlich die beste Auststattung, viel mehr Schulen bzw. größere Klassenzimmer, barrierefreie Gebäude und Ausstattung, täglich frisch zubereitetes kostenloses Essen, kurze Schulwege, etc. Schulen müssen so gut sein und so viel Spaß machen, dass das Personal und die Schüler weinen, wenn es Ferien gibt. 

Anderes1961

Danke für Ihre Ergänzung. Das ist natürlich völlig richtig. War aber leider zu lang, das passte in meinen Post nicht mehr rein, deshalb habe ich mich auf einen plakativen Satz beschränkt. 

harry_up

"Und Nein, es gibt keine Notwendigkeit von Förderschulen für Behinderte. Nichts von dem, was Förderschulen leisten, könnte nicht auch in normalen Schulen geleistet werden. Man braucht halt nur entsprechend geschultes Personal."

Glauben oder wissen Sie denn,  ob das Personal an Förderschulen nicht oder unzureichend geschult ist?

Schaue ich mir eine heutige Schule an, bin ich bei Ihrer optimistischen Feststellung eher skeptisch, obwohl ich verstehe, was Sie meinen.

Anderes1961

Guter Einwand. Personal an Förderschulen sind auch nur Menschen. Davon gibt es gut geschulte und weniger gut geschulte, wie überall.

"Schaue ich mir eine heutige Schule an, bin ich bei Ihrer optimistischen Feststellung eher skeptisch, obwohl ich verstehe, was Sie meinen."

Ich bin da optimistischer als Sie. Ja, es wird viel Zeit und viel Arbeit brauchen, Schulen quasi komplett umzubauen und es wird auch viel Geld kosten, was letztendlich auch "normalen" Kindern auch zugute kommen wird, nämlich z.B. durch kleinere Klassen.

Aber wir werden es schaffen und dann wird es eines Tages auch bei uns mal einen blinden Behördenchef (wie in den Staaten oder in Großbritannien heutzutage normal) geben statt Besenbinder/in Schneider/in oder Physiotherapeut/innen. Wobei ich natürlich überhaupt nichts gegen diese absolut ehrenwerten Berufe sagen will. Sondern lediglich ausdrücken will, wieviele Talente verschleudert wurden, weil man Behinderte immer nur in ganz bestimmte Berufe gedrängt hat.

melancholeriker

"... Ihr plakativer Abschluss-Satz hat leider mit der Realität nichts zu tun. Gerade für Kinder mit ausgeprägteren kognitiven Einschränkungen ist die Teilnahme am Unterricht einer Regelschule kaum zu gewährleisten. Die Lehrkräfte überfordert, die Klassen zu groß, der Schulstoff zu schnell etc."

Das Gegenteil ist der Fall, wenn der Unterricht und vor allem das Lernen selbst nicht nur auf die Sicherstellung des Lebensstandards einer aktuellen Vorrentengeneration ausgerichtet ist, sondern" soziales Lernen" als integrativer Bestandteil auch die Talente von vermeintlich "nutzlosen" oder den Fortschritt hemmenden Menschen mit Neugier unf Offenheit fördert und alle Beteiligten zu rücksichtsvolleren und liebenswerteren Lernenden für's ganze Leben unterstützt. 

Es gibt nicht nur negative Beispiele, in denen Inklusion an allem möglichen scheitert, nur nicht an der Qualität der Idee. 

Juwa

Ja unbedingt.

Leider ist es ja so, dass Menschen mit Behinderung durch unser System aussortiert werden. Daher ist Inklusion unbedingt erforderlich.

Auch kommen Förderschulen meines Erachtens nicht ihrer ursprünglichen Aufgabe nach die Menschen mit Behinderungen so zu fördern so dass sie sich in unserer Gesellschaft besser zurechtfinden können. Stattdessen ist genau das Gegenteil der Fall. 

Ganz schön in der Reportage gezeit ist, dass auch diese Menschen Fähigkeiten haben, die sehr hilfreich für uns sind. Daher sollte man in erster Linie nicht auf deren Schwächen(Behinderungen) sehen sondern auf ihren Stärken.

Kaneel

@Anderes1961: Ich erinnere mich an eine länger zurückliegende Diskussion zu diesem Thema und dass Sie damals Ihre persönliche Betroffenheit sehr berührend zum Ausdruck gebracht haben. Ich bin weniger nah an diesem Thema, hatte aber vor der Einführung Kontakt zu Förderschullehrerer/innen, die hinsichtlich Inklusion sehr engagiert waren und diese vorantrieben. Die eine Lehrkraft war später immer noch dafür, die andere nicht mehr. 

M.E. wurde Inklusion zu schnell und zu schlecht umgesetzt. Auch ist mein Eindruck, dass der Regelschulbesuch, so wie diese aktuell ausgestattet und konzipiert ist, nicht für jedes Kind, egal ob mit oder ohne Behinderung, die beste Option ist. 

In einem ZDF-Format haben sich zwei Betroffene mit einer konträren Haltung zum Thema Werkstätten m.M.n. sehr wertschätzend und verschiedene Aspekte des Themas beleuchtend, ausgetauscht:

https://www.zdf.de/kultur/sags-mir/inklusion-behindertenwerkstaetten-wi…

Anderes1961

Was die Umsetzung angeht, da bin ich durchaus bei Ihnen. Zu schnell nicht. Aber zu schlecht, das ist leider wahr. Aber nur wer nichts tut, macht auch keine Fehler.  Selbst dieser Spruch stimmt nicht mal. Denn Nichts tun in Sachen Inklusion ist ein Fehler.

Schauen Sie doch mal, wie andere Inklusion handhaben. Die Angelsachsen sind uns z.B. um Jahrzehnte voraus. Daß die Regelschule nicht für jedes Kind geeignet sei, ist ein Vorurteil, von dem man sich lösen muß. Hat selbst bei mir eine Weile gedauert. Eine Zeitlang habe ich auch mal so gedacht. Aber es stimmt einfach nicht. Die Regelschule ist für jedes Kind geeignet. Es ist nur eine Frage der individuellen Förderung. Das macht Mühe und stellt "normale" Schulen vor große Herausforderungen.

Niemand behauptet, daß das leicht wäre, ich auch nicht. Aber besser für die Menschen ist es allemal. Sowohl für die "Normalen" als auch für die Behinderten. Wir sind alles Menschen. Zeit, daß wir das lernen.

Kaneel

Vor ein paar Jahren bin ich gelegentlich mit einer Frau ins Gespräch gekommen, die in einer Werkstatt arbeitet und darüber offen sprach. Mein Eindruck war, dass sie ihre persönliche Situation und ihre Grenzen sehr gut reflektiert, annimmt und vergleichsweise zufrieden mit ihrem Leben schien. Sie führte ein relativ selbstbestimmtes und "normales" Leben, hatte Familie, inklusive Kinder, wurde aber auch stark von den Eltern unterstützt.

Meine Beobachtungen aus dem Berufsleben gehen in die Richtung, dass auch Menschen ohne offensichtliche Behinderung den Anforderungen häufig nicht gewachsen waren und aus dem Unternehmen heraus katapultiert wurden. Von daher frage ich mich, ob es nicht allgemein eher mehr geschützte Arbeitsräume geben sollte als eine Inklusion in das herkömmliche Schul- und Arbeitsleistungssystem.

Anderes1961

Ich verstehe, was Sie meinen und sehe das Problem genauso wie Sie. Allerdings halte ich (inzwischen) einen anderen Lösungsansatz für zielführender, der zwar länger dauert, dafür aber den nicht unsympathischen Vorteil hat nachhaltiger zu sein. Nämlich die Inklusion. Inklusion ist ein gegenseitiger Lernprozess, für Behinderte und für Nichtbehinderte und ja, manchmal ist er auch schmerzhaft. Für beide Seiten. 

Davon, Menschen, die Anforderungen nicht gewachsen sind, welche das auch immer sein mögen, quasi vor dem Unbill des Alltags zu schützen und in eine Seifenblase einzupacken halte ich gar nichts. Schon aus eigener Erfahrung heraus. Als Hochsensibler möchte ich nicht vor Menschen, die nicht so extrem empathiefähig sind wie ich (also "Normale") geschützt werden, sondern ich lerne, wie ich mit meiner Hochsensibilität umgehe, um weniger Probleme im Alltag zu haben. Es ist anstrengend, manchmal schwer zu ertragen, aber notwendig. Ich will keine Seifenblase. Ich will Mensch sein. 

Kaneel

M.W. sind Sie aber doch aus dem Berufsleben aufgrund Ihrer Hochsensibilität ausgeschieden. Von daher leben Sie aus meiner Sicht zumindest mehr in einer "Seifenblase" als diejenigen, die jeden Tag mit Arbeitskolleg/-innen und beruflichen Herausforderungen konfrontiert sind, die diese fordern oder überfordern.

schabernack

➢  In einem ZDF-Format haben sich zwei Betroffene mit einer konträren Haltung zum Thema Werkstätten m.M.n. sehr wertschätzend und verschiedene Aspekte des Themas beleuchtend, ausgetauscht: …

Für die meisten, für richtig viele «meiner Handicapped People», die ich immer zur Werkstatt brachte und abholte, war das ihre zweite Familie. Besonders sehr bei denen mit Trisomie 21.

melancholeriker

"Kopfleuchten" von Thomas Bergmann. Zum Glück konnte ich ihn schon vor diesem Film persönlich kennenlernen. Das und die nicht nur nicht wertende, sondern klug, einfühlsam und neugierig die Entwicklung der Thematik umsteuernde Zurückhaltung bei den Fragen an die Betroffenen haben bei mir persönlich einen Meridian verschoben in meiner eigenen Wahrnehmung. Ich habe seitdem nie wieder "Behinderte" gesehen und bin froh, daß ich es bei meiner als "schwerbehindert" geltenden Frau heilungsfördernd gleich umsetzen konnte und sie sich auch selbst nicht so sieht. 

Anderes1961

Ihr Post hat mich sehr berührt. Ebenso wie offensichtlich dieser Film Menschen zum Umdenken gebracht hat. Ich kämpfe gerade mit den Tränen, das ist das Problem, wenn man wie ich hochsensibel ist. Ich bin tatsächlich überrascht, wie viele Foristen den Film gesehen haben. Das berührt mich sehr. Vielleicht sollten Programmverantwortliche der ARD hier mal mitlesen und diesen Film erneut senden. Der ist wirklich beeindruckend.

Und was Ihre Frau angeht, da denkt sie genau wie die meisten Behinderten, mit denen ich im Laufe meines Lebens in Berührung gekommen bin. Sie empfinden ihre Behinderung nicht als solche. Genauso wie meine Mutter ihre Gehörlosigkeit nicht als Behinderung empfunden hat. Sie mußte zwar eine Förderschule besuchen (unabhängig von der Intelligenz und Lernfähigkeit wurden die Behinderten in bestimmte Berufe gedrängt, Gehörlose Mädchen lernten halt Schneiderin), hat aber ihre Behinderung nie als solche empfunden. 

artist22

"Sie empfinden ihre Behinderung nicht als solche."

Das ist ja das Menschliche daran. Ganz im Gegensatz zu jenen, die unbedingt (bei andern) wertende Defizite sehen wollen.

Für mich ein unbewusster Abwehrreflex vor eigenen Ängsten/Empathie.

Anderes1961

Sie sagen einen entscheidenden Satz: Abwehrreflex vor eigenen Ängsten/Empathie. Genau das ist der Punkt. Den Satz sollte man sich in großen Buchstaben, bei deren Größe selbst die Bildzeitungsschlagzeilen mikroskopisch kein erscheinen, ausdrucken und an die Wand hängen.

Das Problem läßt sich nämlich tatsächlich ganz einfach auf ein Grundproblem reduzieren. Dahinter steckt die Angst vor Kontrollverlust. Neben der Todesangst die größte Angst, die ein Mensch haben kann. 

Schluss mit dem AFD Gedöns

@ Vector Cal 45

Niemand, wirklich niemand in unserer Gesellschaft spricht behinderten Menschen (oder sonst irgendwem) das grundsätzlich ab, behaupte ich.

Wenn das so einfach wäre. Im Nationalsozialismus wurden Behinderte gezielt ausgegrenzt und zum Teil auch eingesperrt und ermordet. Und die Tendenzen dahin sind ja heute bei mindestens einer sehr lautstarken Partei unverkennbar.

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NieWiederAfd

... und ich ergänze: Mich graust, wenn heute jemand Inklusion als "zwanghafte Gleichmacherei" zu diffamieren versucht. 

harpdart

Ein ähnliches Projekt ist das "Blaumeier-Atelier e.V." Dort, in Bremen, arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung und psychiatrischer Erfahrung zusammen. Seit 1986 schon. Theater, Musik, Malerei, Maskenbau und -Spiel. Interessantes Projekt.

heribix

Es gab in diesem Land schon einmal einen Teil, indem frühzeitig geschaut wurde welche Talente und Interessen Kinder besitzen und die wurden dann staatlich gefördert. Heute hängt die Förderung leider viel zu oft vom Geldbeutel der Eltern ab. 

Affen_D

Tolle Leistung! Wenn Menschen mit Handicap ihren Weg gehen und auch noch Spass daran haben, sollte man das besonders würdigen! Ich habe großen Respekt davor, wenn man sich nicht unterkriegen lässt. Und wenn diese Kunst dann auch noch die Fröhlichkeit all dieser Künstler zum Ausdruck bringt, können vielleicht auch Skeptiker endlich begreifen, dass eine Behinderung in keiner Weise immer ein Hinderniss sein muss!

Schneeflocke ❄️

Schade finde ich, wenn Kinder für eine Sache ein großes Talent besitzen, welches jedoch die Eltern überhaupt nicht interessiert. Manche Eltern wollen lieber in den Kindern ihre eigenen Neigungen fördern, die bei ihnen selbst auf der Strecke geblieben sind. Dann wird das unmusikalische Kind z.B. jahrelang gegen seinen Willen zum Klavierunterricht geschleift und dem örtlichen Chor beigeordnet, obwohl es selbst etwas anderes viel lieber täte.

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