Eingangsbereich des Bundesarbeitsgerichts

Ihre Meinung zu Bundesarbeitsgericht: Kein "Verzicht" auf Mindesturlaub möglich

Ein Mann einigt sich vor dem Arbeitsgericht mit seinem Arbeitgeber auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine Abfindung. Offene Urlaubsansprüche sollen damit abgegolten sein. Dagegen klagt der Mann - und bekam jetzt Recht.

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30 Kommentare

Kommentare

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Er war also mehr oder weniger von Anfang bis Ende seines Arbeitsverhältnisses krank geschrieben. Verlangt aber trotzdem den ihm zustehenden  Ulaub, auf den er selbst gemäß Abfindungsvereinbarung erst mal verzichtet hatte. Verklagt das Unternehmen nachträglich auf eine vereinbarungsgemäß nicht beanspruchbare Leistung.

Mir kann man wirklich nicht nachsagen, nicht grundsätzlich auf der Seite der Arbeitnehmer zu stehen. Aber der Kerl hat seine Firma einfach nur abgezockt, und ich mißbillige es, dass er damit vor einem Arbeitsgericht durchkommt.

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harry_up

Sowas ging mir beim Lesen des Artikels auch durch den Kopf. 

Allerdings kennen wir beide die Art und Schwere der Erkrankung des Mannes nicht, deshalb bin ich mit dem Wort "Abzocke" vorsichtig. 

Questia

@file 20:24

| "der Kerl hat seine Firma einfach nur abgezockt, und ich mißbillige es, dass er damit vor einem Arbeitsgericht durchkommt." |

Mir fiel bei der Beschreibung ein, dass der Mann ja auch einen schweren Unfall oder eine schwere Krankheit zu bewältigen gehabt haben könnte und eine finanzielle Schieflage/Belastung ihm zumindest dadurch erspart blieb.

Die 7 Tage Mindesturlaub sprechen für eine kurze Vertragsdauer. Die Abfindung i.H.v. 10.000€ sprechen für einen Vergleich, der mir zeigt, dass der Arbeitgeber trotz dieser kurzen Dauer keine Abzocke vermutet.

Es ist nicht immer so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint.

 

falsa demonstratio

"Die 7 Tage Mindesturlaub sprechen für eine kurze Vertragsdauer."

Die 7 Tage Urlaub sind nicht während der gesamten Vertragsdauer entstanden, sondern im dem (Rumpf-) Jahr 2023.

Grossinquisitor

Ja geht mir genauso. Ich frage mich, weshalb der Vereinbarung über die Urlaubsabgeltung "in natura" nicht der Privatautonomie der Vergleichsparteien unterliegen soll. 

Questia

@Inqui 20:49

| "weshalb der Vereinbarung über die Urlaubsabgeltung "in natura" nicht der Privatautonomie der Vergleichsparteien unterliegen soll. " |

Ich habe das so verstanden, dass es gar nicht möglich ist, auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu verzichten.

§13 BUrlG beschreibt das m.E. im ersten Absatz: "Im übrigen kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden."

https://www.gesetze-im-internet.de/burlg/index.html#BJNR000020963BJNE00…

Grossinquisitor

Danke für den Link. Ich hab das Urteil nicht gelesen, aber wahrscheinlich war das die gesetzliche Grundlage für die Entscheidung.

falsa demonstratio

"Ich frage mich, weshalb der Vereinbarung über die Urlaubsabgeltung "in natura" nicht der Privatautonomie der Vergleichsparteien unterliegen soll."

Die Privatautonomie ist gesetzlich zugunsten des Arbeitnehmers eingeschränkt. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

falsa demonstratio

"Er war also mehr oder weniger von Anfang bis Ende seines Arbeitsverhältnisses krank geschrieben."

Der Kläger war vom 1. Januar 2019 bis zum 30. April 2023 bei der Beklagten angestellt. Im Jahr 2023 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und konnte seinen Urlaub daher nicht antreten.

Questia

@falsa 20:50

Danke für die Klarstellung. Mir sind die Jahre durchgeflutscht. Dann ist der "Abzocke-Verdacht" noch weniger plausibel und die Abfindung auch nicht wirklich üppig.

 

falsa demonstratio

"und die Abfindung auch nicht wirklich üppig."

Der Arbeitnehmer hat 5.000 € brutto verdient.

Die Abfindung beläuft sich gewöhnlich auf ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.

 

Questia

Schreib ich doch. Ich empfand sie wegen meiner falschen Zeitannahme (20:40) als üppig. Nun nicht mehr, weil sie den Mindestanforderungen entspricht.

Fair Lady

„Der Kläger war vom 1. Januar 2019 bis zum 30. April 2023 als Betriebsleiter eingestellt. Im Jahr 2023 war er von Beginn an bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.“

Das lese ich so, dass er 4 Jahre gearbeitet hat und nicht von Anfang bis Ende seines Arbeitsverhältnisses krank geschrieben gewesen ist.  Es geht hier also um die 7 Tage erworbenen Mindesturlaub von Januar bis April 2023. Und das ist dann keine Abzocke. Ansonsten müsste jeder Arbeitnehmer, der z.B. im Urlaub krank wird, sich diese Tage als Urlaubstage anrechnen lassen müssen und dürfte sie nicht  (als das, was sie sind) Krankentage geltend machen.

Nettie

„Gewährung“ von Ansprüchen „in natura“? Leibeigenschaft kann tatsächlich auch vertraglich nicht ‚vereinbart‘ werden.

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falsa demonstratio

„Gewährung“ von Ansprüchen „in natura“?

Es stellt den Normalfall dar, dass Urlaub in Natura gewährt und nicht finanziell abgegolten wird.

Nettie

Es geht hier aber gerade nicht um den Normalfall.

falsa demonstratio

"„Gewährung“ von Ansprüchen „in natura“? Leibeigenschaft kann tatsächlich auch vertraglich nicht ‚vereinbart‘ werden."

Es gibt noch mehr Ansprüche, die im Arbeitsverhältnis "in Natura" gewährt werden.

Arbeitgeberseits sind das z.B. der Haustrunk im Brauereigewerbe, die Debutatkohle im Bergbau oder auch Kost und Logis.

Arbeitnehmerseits ist es die Arbeitskraft.

Nettie

„Es gibt noch mehr Ansprüche, die im Arbeitsverhältnis "in Natura" gewährt werden. (…)“

Natürlich gibt es die. Aber auch um diese von Ihnen angeführten Ansprüche geht es hier nicht.

Decathlon

Auch mit dem "G'schmäckle", dass er die Firma damit sozusagen abzockt:

Gut dass das höchste Gericht feststellt, dass man auf gesetzlich garantierte Mindestleistungen nicht verzichten kann. Mit allen Konsequenzen.

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Grossinquisitor

Sie müssen sich einen Augenblick mal in die Perspektive des Arbeitgebers hineinversetzen. Dann würden Sie das möglicherweise anders sehen.

Decathlon

Recht ist Recht. Gesetz ist Gesetz.

Höchstinstanzlich festgestellt.

Fertig. Und gut.

falsa demonstratio

"Auch mit dem "G'schmäckle", dass er die Firma damit sozusagen abzockt:"

LTO: "Bereits im Vorfeld hatte die Anwältin des Klägers jedoch darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub rechtlich unzulässig sei. Dennoch stimmte der Kläger – unter Verweis auf die Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Vergleichs – im Zuge einer Gesamteinigung dem Vergleich zu."

Schneeflocke ❄️

Eine Vereinbarung, nach der Urlaubsansprüche in natura gewährt sind, sei beim Ausschluss von Mindesturlaub unwirksam.

 

Wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, kann er während der AU auch keinen Urlaub (in natura) genießen. Auch wenn ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt, hat er einen Anspruch die verlustigen Urlaubstage später nachzuholen.

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Grossinquisitor

Wenn das aber im Rahmen eines Vergleichs einvernehmlich in natura abgegolten werden sollte, weshalb soll der gesetzliche Anspruch dann nicht abbedungen werden können? 

smackwaterjack

Weil das Gericht in dem Punkt des zugrundegelgten Gesetzes keine Vertragsfreiheit erkennt.

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Danke für die korrigierenden Antworten auf meinen Beitrag von 20:24h. Da hatte ich tatsächlich den Artikel zu flüchtig gelesen. Der Mitarbeiter war keineswegs von Anfang bis Ende krankgeschrieben. Ich entschuldige mich und möchte auch die daraus gefolgerte Wertung nicht aufrecht erhalten.

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falsa demonstratio

"Danke für die korrigierenden Antworten auf meinen Beitrag von 20:24h. Da hatte ich tatsächlich den Artikel zu flüchtig gelesen. Der Mitarbeiter war keineswegs von Anfang bis Ende krankgeschrieben. Ich entschuldige mich und möchte auch die daraus gefolgerte Wertung nicht aufrecht erhalten."

Sie zeigen Größe - chapeau.

Mauersegler

Danke, das ehrt Sie.

Questia

Um es mit Forrest Gump zu sagen: "Shit happens"

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