Richter am Obersten Gerichtshofs Israels

Ihre Meinung zu Israels Justizreform gekippt: Krieg überlagert den Streit über das Urteil

Nachdem Israels Oberstes Gericht Eckpfeiler der Justizreform gekippt hat, kritisiert die Regierung von Premier Netanyahu vor allem den Zeitpunkt des Urteils. Lob gibt es von der Opposition. Von Björn Dake.

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34 Kommentare

Kommentare

FakeNews-Checker

Wann  wäre  denn  für  die  Regierung  der  "richtige  Zeitpunkt"  für  das  Urteil ?

Nettie

"Trotz der Kritik: Die ersten Reaktionen weisen nicht daraufhin, dass die Regierung das Urteil übergehen wird"

Hoffentlich. Was sie aber, nachdem sie erst so mit der Aushöhlung der Demokratie beschäftigt war, dass sie darüber die Sicherheit der Bevölkerung aus dem Blick verloren hat bei Gelegenheit 'nachholen' will: "Justizminister Levin machte aber schnell deutlich, dass er weitere Teile der Justizreform vorantreiben will".

Dabei braucht die Gesellschaft gerade jetzt nichts weniger als noch mehr durch Machtkämpfe provozierte Spaltung und Spannungen, die den letzten Rest Zusammenhalt aufs Spiel zu setzen drohen.

"Dabei geht es insgesamt um das Machtverhältnis zwischen der Justiz und der Regierung sowie dem Parlament. Und es geht um die Frage, welchen Einfluss die Religion auf Politik und Justiz haben soll"

Ganz abgesehen davon ist übrigens auch ein mit immerhin 15 Richtern besetztes Gremium nicht repräsentativ für die gesamte Bevölkerung. Und kann es schon aus formalen Gründen nicht sein.

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Robert Wypchlo

15 Richter sogar? Und ich dachte immer, dass es 12 Richter in Israel gewesen seien. Darunter eine Frau. Habe mich da wohl doch getäuscht.

Nettie

Die Summe von 8 und 7 Stimmen ist für mich 15.

Santin

"15 Richter sogar? Und ich dachte immer, dass es 12 Richter in Israel gewesen seien.“

Das Urteil der Richter fiel 8 zu 7 aus, also sehr knapp.

Esche999

Im Kontext dieses Prozesses wurde von der Opposition der Hinweis gegeben, daß Israel keine Verfassung - etwa wie Deutschland - hat. Daher sei das Urteil ohnehin mit Fragezeichen versehen, egal wie es ausfällt. Rein formal ist das so - dennoch bedeutet es nicht, daß es keinen Kanon der Gemeinsamkeit gibt. Das zeigt die Praxis des jüdischen Lebens : gekennzeichnet von oft erstaunlichen Regeln, die durchaus allgemein beachtet werden -wenn auch nicht immer mit der selben Stringenz. Diese Basis ist nichts anderes als das Alte Testament mit seinen dem Moses gegebenen Aufträgen - daher sollten alle, die Israel verstehen wollen, das AT lesen. Manche Frage der Gegenwart findet dort sofort eine Antwort.  Das heutige Urteil kennzeichnet daher den Scheideweg, an dem Israel heute steht :wird es in der Lage sein, seinen Staat einer modernen Welt anzupassen - oder folgt es weiter dem Alten Testament und den Zwängen der mosaischen Religion - mit Kondequenzen, die wir nicht übersehen können.

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saschamaus75

>> oder folgt es weiter dem Alten Testament

 

Solange Netanjahu an der Macht ist, ist genau DAS zu befürchten. =(

 

fathaland slim

Netanjahu ist nicht religiös.

EWG2

In Israel werden die Richter von einem neunköpfigen Ausschuss ernannt, in dem zwei Minister, zwei Abgeordnete (einer von der Regierung und einer von der Opposition), drei Richter des Obersten Gerichtshofs und zwei Anwälte der Anwaltskammer vertreten sind. Die Richterschaft und die Anwaltschaft haben also die Mehrheit im Ausschuss und können gegen den Willen der parlamentarischen Mehrheit Richter ernennen. Das Parlament hat so nicht mal ein Vetorecht und die Judikative ernennt sich faktisch selbst.

Das hat weder mit Rechtsstaatlichkeit, checks and balances, noch mit Demokratie viel zu tun. 

Eine Justizreform ist also überfällig, aber nicht so wie Netanyahu vorhat.

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falsa demonstratio

"Die Richterschaft und die Anwaltschaft haben also die Mehrheit im Ausschuss und können gegen den Willen der parlamentarischen Mehrheit Richter ernennen. Das Parlament hat so nicht mal ein Vetorecht und die Judikative ernennt sich faktisch selbst."

Die Anwaltschaft ist nicht Bestandteil der Judikative, denn sie spricht nicht Recht.

Vielleicht ist das israelische Systemsogar besser als das unsrige in dem allein eine Gewalt, nämlich die Legislative, die Zusammensetzung einer anderen Gewalt, nämlich der Judikative, bestimmt. Das ist eine eklatante Durchbrechung der Gewaltenteilung (die allerdings in D nicht schlecht ausgestaltet ist).

EWG2

Das ist ein gesinnungsethischer Ansatz. Das Problem dabei ist, hätte sich die Richterschaft gesinnungsethisch in eine ganz andere Richtung entwickelt, würden Sie das System mit Sicherheit nicht verteidigen.

MRomTRom

Sie machen sich mit einer Pseudo-Begründung  (der 'politischer Verwandtschaft' ?) die Argumente Netanyahus zu eigen. 

Warum sollten nicht Juristen ein gewichtiges Wort hinsichtlich der juristischen Qualifikation von zu ernennenden Richtern haben.

Warum sollte eine Justizreform 'überfällig' sein, zumal in den vergangenen 75 Jahren von dem Gerichtshof kaum mehr mehr als 20 Gesetze zurückgewiesen wurden ? Zumal es bei dem Kernstück nur darum geht, das Gericht mit einer Mehrheit von 61 Abgeordneten überstimmen zu können.

Der Anstoß für diese 'Justizreform' kam erst ab dem Moment, in dem Bibi Netanyahu wegen des Verdachts auf Betrug, Untreue und Korruption vor den Kadi sollte. Mit ihr versucht der Likud-Führer eine Lex Netanyahu zu schaffen, die nichts mit dem Gemeinwohlsgebot für Israel zu tun hat.

EWG2

Die genannten Juristen sind weder direkt noch indirekt vom Souverän gewählt. Also ohne irgendeine demokratische Legitimation.

Warum sollten nicht Juristen ein gewichtiges Wort hinsichtlich der juristischen Qualifikation von zu ernennenden Richtern haben.

Genau das ist der gesinnungsethische Ansatz. Hätte die Gruppe der Juristen, die darüber entscheiden, sich gesinnungsethisch in eine ganz andere Richtung entwickelt, würden Sie das System sicherlich nicht verteidigen.

Zurzeit scheinen aber weder die Regierung noch die Opposition daran interessiert, mehr Neutralität ins System zu bringen.

fathaland slim

Nennen Sie mir bitte ein Land, in dem die Richter vom Volk gewählt werden.

EWG2

Nennen Sie mir bitte ein Land, in dem die Richter vom Volk gewählt werden.

Ich schrieb "Die genannten Juristen sind weder direkt noch indirekt vom Souverän gewählt."

Direkt gewählt ist selten und auch nicht sonderlich wünschenswert. Indirekt, mit Zustimmung von Parlamenten, gewählten Gremien, manchmal auch noch mit zusätzlicher Zustimmung einer separat gewählten Exekutive, ist zugleich Norm und Mindestanforderung für die Wahl oberster Richter in liberalen Demokratien.

das ding

"Der Wille des Volkes nach Einigkeit in Zeiten des Krieges" soll hier wohl meinen: Mitlaufen, mithaengen. und vor allem Klappe halten. Und ganz nebenbei, wo man schon dabei ist: Demokratie klein schnetzeln. Das ist eine der "aeltesten Geschichten im Buch". Oder auch: Immer die gleiche Leier. Geschenkt. Aber die Lage dort ist schrecklich. Und ein weiteres aber: Gerade diese Urteil weist den richtigen Weg heraus, zumindest als Begleitung, um ueberhaupt einen Sinn zu schaffen. Ausser der Vernichtung der Hamas, was ich absolut begruesse. Die isrealische Gesellschaft ist ganz grundsaetzlich eine fortschrittliche. Das beweist die Klage der Hamas-opfer zum einen und die Spaltung ist garkeine, sondern (eiternder) Wundschorf, unter dem die Heilung zur (echten) Demokratie sitzt. 

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flegar

"Die isrealische Gesellschaft ist ganz grundsaetzlich eine fortschrittliche."

Noch- denn wenn mit der Zeit die Zahl der orthodoxen Religionsfanatiker zunimmt, werden fortschrittliche Elemente in Israel die Minderheit darstellen. Und wenn man sich anschaut, wie unterschiedlich die Geburtenraten zwischen fortschrittlichen und konservativen Israelis ist, habe ich ein schlechtes Gefühl.

fathaland slim

Politische Einstellung ist eigentlich nicht erblich.

Sisyphos3

vor allem den Zeitpunkt des Urteils.

 

logisch !

 

dann kann man ja den Focus des Bürgers auf die Aussenpolitik  lenken

das wird bei allen Regierungen gemacht

Sokrates

Zu welchem Zeitpunkt wäre es denn dem Herrn Premier Netanyahu recht gewesen wann das Gericht die Entscheidung hätte fallen sollen? Die Saats und Justizgeschäfte laufen trotz Hamas Problem weiter lieber Herr Premier! Oder haben Sie jetzt schon so dermaßen Angst, daß sie ihre Macht demnächst verlieren könnten, die sie mit aller Wahrscheinlichkeit sowieso verlieren werden. Man läßt sie jetzt noch die Drecksarbeit mit der Hamas erledigen, und danach wird sich es entscheiden wie lange sie noch Premier bleiben werden oder auch nicht. Es sieht nun mal momentan nicht wirklich gut aus im Staate Israel!

WM-Kasparov-Fan

Krieg überschattet Streit um Justizreform ebenso, wie die einer Demokratie unwürdige Behandlung von Wehrdienstverweigerern vom Nationalismus Israels überstrahlt wird. Normalerweise werden nur in Diktaturen Minderheiten und Andersdenkende so stark diffamiert, ausgegrenzt und verfolgt. Aber Pazifist in einer Demokratie zu sein - das geht ja gar nicht (zusammen)! Muss mindestens mit Gefängnis bestraft werden, übrigens seit Bestehen des Staates Israel. 

MRomTRom

++ Israel ist unbestreitbar eine Demokratie, aber tatsächlich ohne zusammenhängend geschriebene Verfassung ++

Den Umstand teilt es sich übrigens mit einer der ältesten Demokratien der Welt, dem United Kingdom.

++

Allerdings gibt es besondere Gesetze (‚Grundgesetze‘) welche als eine Art Verfassung gelten.  Um sie zu ändern bedarf es 70 der 120 Knesset-Abgeordneten und eine solche Mehrheit erreicht selten eine Koalition in Israel ohne Einbeziehung der Opposition. Diese Grundgesetze können nur mit einer Mehrheit von 70 der 120 Abgeordneten geändert werden. 

++ 

Umso wichtiger ist das Funktionieren des Obersten Gerichtshofes Israels, weil er in Bezug auf diese Gesetze als ‚Verfassungsgericht‘ fungiert.

++ 

Netanjahus Koalition hat versucht, das Gericht und dessen Kompetenzen und damit auch die Verfassung Israels zu schwächen. Dagegen richten sich die Proteste vieler Israelis.

++

 

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R A D I O

Die Verfassung eines Rechtsstaates würde Menschenrechte garantieren, mit denen das politische Selbstverständnis Israels öfter in Konflikt geraten würde. Deshalb hat man schon bei seiner Gründung auf eine Verfassung verzichten müssen. Ein säkularer Staat war nicht durchzusetzen. Das Judentum ist konstituierender Teil des Staates. Religiöse Gruppen und Parteien streben eine Ausweitung der religiösen Gesetzgebung und eine Rücknahme vorhandener säkularer Elemente des Staatswesens. Während früher säkulare politische Kräfte dominierten, hat sich das Verhältnis inzwischen zugunsten klerikaler jüdischer Parteien gedreht. Eine Besserung Richtung Liberalität mit einer Verfassung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil.

Nettie

"Deshalb hat man schon bei seiner Gründung auf eine Verfassung verzichten müssen."

Wen meinen Sie hier mIt 'man'?

Sisyphos3

Wen meinen Sie hier mIt 'man'?

 

die Bürger Israels ??

nehme ich doch an oder wer will gegen deren Willen ne Verfassung durchsetzen

fathaland slim

Die Verfassung eines Rechtsstaates würde Menschenrechte garantieren, mit denen das politische Selbstverständnis Israels öfter in Konflikt geraten würde. Deshalb hat man schon bei seiner Gründung auf eine Verfassung verzichten müssen.

Sie möchten wirklich behaupten, Israel habe keine Verfassung, damit man sich nicht an Menschenrechte halten muss?

Esche999

Der Protest Netanyahus gegen den ZEITPUNKT dieses Urteils  ist interessant. Denn die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Hamas-Überfall haben zu der Vermutung geführt, die israelische Gegenoperation sollte genutzt werden ,um von dem massiven innenpolitischen Konflikt wg. der Justizreform abzulenken. Mit der Gegenoperation hat sich Israel aber in eine Konfliktsituation begeben, die ihm am Ende teuer zu stehen kommen wird, auch wenn das Ziel, die vollständige Kontrolle von Gaza, erreicht wird. Das Urteil KÖNNTE aber tatsächlich die noch vorhandene Zustimmung der israelischen Bevölkerung zum Militäreinsatz in Gaza kippen und DANN sogar die Erreichung dieses fatalen Ziels gefährden - was bedeuten würde :Israel hat zehntausende (bis jetzt) tote Palästinenser völlig vergeblich in Kauf genommen.

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fathaland slim

Denn die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Hamas-Überfall haben zu der Vermutung geführt, die israelische Gegenoperation sollte genutzt werden ,um von dem massiven innenpolitischen Konflikt wg. der Justizreform abzulenken.

Von welchen Ungereimtheiten reden Sie? Wollen Sie wirklich behaupten, der Hamas-Überfall und Israels Reaktion darauf habe israelisch-innenpolitische Gründe?

Krid01

Ich hoffe, dass Israel eine Demokratie bleibt. Wenn die Gewaltenteilung abgeschafft werden sollte, dann kann von einer Demokratie keine Rede mehr sein. Ausgehend von der Anklage gegen den amtierenden Präsidenten ist das jetzt schon mehr wie grenzwertig.

Parsec

"...Likud-Partei [:]... widerspricht aus ihrer Sicht dem Willen des Volkes".

Natürlich, man will ja die uneinschränkbare Macht. Die Richter haben dem Wunsch aber einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, was genau dem Willen des Volkes enrspricht: lt. "Umfrage zufolge waren 46 Prozent der Israelis gegen die Reform, 35 Prozent befürworteten sie" [Vorgängersrtikel].

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Santin

"lt. "Umfrage zufolge waren 46 Prozent der Israelis gegen die Reform, 35 Prozent befürworteten sie" [Vorgängersrtikel].“

Vorgängerartikel:
"Einer vor der Parlamentsabstimmung veröffentlichten Umfrage zufolge waren 46 Prozent der Israelis gegen die Reform, 35 Prozent befürworteten sie und 19 Prozent waren unentschlossen.“

Das Wichtige, wie ich finde, ist das Umfrage VOR der Abstimmung des Gesetzes (im Juli 2023) gemacht wurde.

Ich glaube, dass jetzt mehr als 46 Prozent gegen die Reform sein würden. Wahrscheinlich sogar die Mehrheit.

peter Schäfer

Es ist gut, dass Israel während des Krieges zusammenhält. Aber wenn der Krieg (hoffentlich schnell) zu Ende ist, gibt es viel aufzuarbeiten. Sowohl bezüglich der Straftaten von Netanjahu als auch der Siedler und eine Lösung für die Palästinenser gefunden werden.

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