Aufkleber als Schutz vor zu viel Medienandrang

Ihre Meinung zu Interview: Das Dilemma der Journalisten im Fall Breivik

Die Berichterstattung über den Breivik-Prozess ist für Journalisten eine Gratwanderung. Genügen sie ihrer Informationspflicht oder bieten sie dem Attentäter eine Bühne? Im Interview mit tagesschau.de erklärt der Medienwissenschaftler Christian Schicha, wie Journalisten mit diesem Dilemma umgehen sollten.

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21 Kommentare

Kommentare

Sinus
Wie Immer

wenn vermeindlich grosses öffentliches Interesse da zu sein scheint,werden die Medien das zum Geldmachen nutzen.
Das Gerede von journalistischer Gradwanderung ist absoluter Blödsinn und soll soetwas wie Moral bei den Medien vermittel,die es aber nicht gibt.

Gast
"Dilemma" der Berichterstattung ?

Je länger sich das inszenierte Theater des Prozesses - mit Vertagungen, Revisionen, Befangenheitserklärungen - hinzieht, desto besser für alle Beteiligten.
Besonders können die Anwälte mit allen Tricks und Winkelzügen arbeiten, um ihre Einkünfte zu erhöhen.

Laut Staatsanwalt ist ja keine Rache beabsichtigt, und Strafen schrecken sowieso nicht ab, also warum nicht gleicht ein Quasi-Freispruch ??
Zum guten Schluss bleibt noch der Lobgesang auf das korrekte Vorgehen des "Rechtsstaates".

Gast
Welche Farbe hat Breiviks Unterwäsche ?

Die Journalisten gehen davon aus, dass sie ja nicht anders können - die Zuschauer würden sonst zum nächsten berichtenden Sender gehen. Ist das aber eine überprüfte Tatsache ? Langfristig werden vielleicht auch die sensationsgierigen in ihrer Meinung bestärkt, die öffentlich-rechtlichen seien seriöser und daher wertvoller. Langfristige Entwicklungen werden selten genügend berücksichtigt. Meiner Ansicht nach begeht die ARD den Fehler erneut, den sie begangen hat als sie von der tagelangen Geiselfahrt (Fall Rösner) hautnah mitberichtete.
Lassen sie sich nicht anstecken ! Die Zuschauer werden es ihnen langfristig danken.

Gast
Heuchelei

Wenn die Damen und Herren Journalisten meinen, dass dem Attentäter X keine Plattform geboten werden soll, dann sollen sie es doch lassen.

Diese scheinheiligen Selbstanklagen nach dem Motto "Journalistenzwiespalt" nützen da auch nochts mehr.

Da das Thema an sich ja von Interesse ist (und auch mich interessiert), könnte man problemlos über Sachverhalte und sinngemäß weiter gegebene Fakten berichten, ohne dem Attentäter X die möglichkeit zur Selbstdarstellung zu geben.

Gast
mündiger Bürger

Als erwachsener Bürger hat man ein Recht auf Information
und ist durchaus in der Lage diese für sich selbst zu bewerten.

Eine Filterung der Nachrichten ob sie denn politisch korrekt sind ist bereits Zensur.

Auch wenn einem schlecht wird von der Selbstdarstellung des Attentäters.

Der Job eines Jornalisten ist objektiv zu berichten
und nicht den Zuschauer zu bevormunden bzw. in seiner Meinung zu beeinflussen !

Gast
Es gibt kein Dillema.

Man nenne uns das Urteil und der Rest bis dahin sei schweigen.

Das hält Nachahmer ab.

Berichterstattung ist an Folgetaten immer auch Mitschuld

Abydos
grenzen

nichts hindert die ard daran, breivik komplett nicht im bild zu zeigen, alles was er von sich gibt, maximal durch den reporter zu uebertragen, nur die staatsanwaelte, anwaelte und richter zu wort und ins bild kommen zu lassen.

das wuerde sich sogar dem informations- und bildungsauftrag des oeffentlich-rechtlichen rundfunks ziemlich schluessig begruenden lassen.

nur, der oeffentlich-rechtliche rundfunk hat sich bereits seit langem von diesem auftrag bedenklich entfernt und meint stattdessen, auch fuer ihn muessten einschaltquoten und der konkurrenzdruck der privaten medien das mass der dinge sein.

entsprechend gefangen und befangen ist man in den oeffentlich-rechtlichen medien. und entsprechend spielt man mit.

und eine frage bleibt nach wie vor unbeantwortet. welche rolle haben die medien, haben staatliche entscheidungen und haltungen von politikern, parteien und eliten im westen bislang dazu beigetragen, dass menschen wie breivik ihr gehirn in derartiger weise in brei verwandelten.

Gast
Medienwissenschaftler?

In Mexiko sehen Sie bei einem Mord den abgeschnittenen Kopf im Großformat auf der Titelseite. In Europa nicht. Der Umgang mit dergleichen ist kulturell bedingt. Es gibt keine Informationspflicht. So wenig wie Gaffer bei einem Unfall die Rettungsdienste kontrollieren, so wenig kontrolliert die Öffentlicheit die Justiz. Das ist alles Geschwätz in einem Big Business, das Medien nun einmal betreiben.
In diesem Fall machen alle Medien sich schuldig. Jeder Spinner, der der Welt Botschaften vermitteln will die keinen interessieren, entführt Flugzeuge, geht mit ner Knarre in den Kindergarten oder halt auf eine Insel ins Jugendcamp, weil diese Art von Werbung für sein Anliegen immer funktioniert, kostenlos und legal ist. Niemand stoppt die Medienmaschine, kein Richter sperrt die Blutsauger weg, die jetzt auf allen Kanälen verkünden: hey, bring doch auch mal einen um, besser 100, dann senden wir dein Geschwätz. Hätte B. gewusst, dass er wortlos in einem Kellerloch verschwindet, wären 77 alive.

Gast
Interesse

Ich denke es gibt schon ein gerechtfertigtes Interesse von Laien als auch Fachleuten daran, sich selbst ein Bild machen zu können ob dieser Mensch nun krank ist oder nicht - aus dieser Perspektive finde ich persönlich diesen Prozess interessant.
Dass die Berichterstattung oder die unzensierte Weitergabe von den Aussagen des beschuldigten Nachahmer heraufbeschwört finde ich nicht. Wie auch an vielfachen sowohl von dem Medien wie den -konsumenten geäusserten, emotionalen Aussagen abzulesen ist, wird die individuele Reaktion des Einzelnen durch sein psycho-mentales Setup und seinen sozialen Background definiert. Jemand, der sich von einem siebenundsiebzigfachen Mörder inspiriert fühlt hätte mit Sicherheit auch einen anderen Trigger für die Auslebung seiner Impulse gefunden. Und wie bei allen anderen Zusammenhängen - wer es nicht sehen will, braucht ja nicht.

Gast
Keine Bilder von diesem Massenmörder..

Eine menschliche Beleidigung für jeden zivilisierten Mensche. Die Berichterstattung aufs Wesentliche beschränken bitte..

Gast
rechtsstaatliche Erfordernisse und journalistische Aufgaben

So schwer dieses auch für die Opfer Breiviks ist: der Rechtsstaat zieht sich selbst in Zweifel, wenn nicht vollständige Protokolle der Verhandlung veröffendlicht werden. Für Seh-und Hörbehinderte muss es auch die Möglichkeit geben, die Verhandlung zu hören beziehungsweise von den Lippen abzulesen. Ich verstehe sehr gut die Emotionen der Kritiker, denoch muss ich sagen: Es in der breiten Öffendlichkeit niemand gezwungen, sich das anzutun.

Die Aufgabe von Journalismus - und das sage ich generell, keineswegs nur in Bezug auf den Prozess Breivik - besteht im Internetzeitalter keineswegs nur darin, "das wichtige vom unwichtigen zu trennen und über das relevante zu berichten", sondern auch die im Internet verfügbaren Primärquellen zu nennen, damit sich jeder Interessierte das eigene Bild machen kann.Ich empfinde es als Anmassung, wenn mir ein Journalist mit dem Ausschliesslichkeitsanspruch begegnet, mich "aufzuklären", was relevant ist und wie die Welt funktioniert.

Gast
@wekru - Genau das ist es!

... und es gibt 10tausende Ermordeter denen eine solche "Bühne" politisch bewußt verweigert wird...

und warum kann ich auf jeden x-beliebigen Sender schalten und überall die gleichen, meist auch wortwörtlich gleichen Nachrichten hören und sehen (bundesweit!) ??? Wer bestimmt das und warum? Passiert nur dieses, nichts anderes? Warum wohl ist immer wieder das Internet Ziel der Politik? Weil es dort diese Informationsvielfalt gibt, nicht nur - aber auch zum Fall BREIvik!

.v-
Warum sollte er keine Bühne bekommen?

Halt. Jetzt bitte nicht reflexartig irgendwelche anerzogenen Reaktionen aus dem Mund heraustorpedieren wegen meines Titels.

Fakt ist: Es handelt sich um eine relativ beispielslose Tat. Aber es handelt sich um reale Ereignisse. Ereignisse, die wieder vorkommen können. Nicht durch Breivik - durch andere Menschen.

Das müssen wir auch verhindern. Und daher müssen wir(*) uns damit auseinandersetzen - (*) mit wir meine ich nicht, dass sich jeder dafür interessieren oder damit beschäftigen muss - bzw. die Möglichkeit dafür haben. Ja, es ist wichtig zu wissen, was Breivik dabei gedacht hat, was ihn motiviert hat, was dazu geführt hat. Und es ist nicht nur für das Gericht oder einen Psychologen wichtig, es ist für die Gesellschaft wichtig.

Was Breivik will, ist egal. Komplett. Will er Gefägnis? Falls ja, werden wir ihm Gefägnis dennoch nicht verweigern. Will er eine Bühne? Kein Grund, ihm absichtlich keine zu geben. Es ist EGAL was er will. Unsere Strafe ist Frei.-entzug, nicht Bühnenentzug.

de_imausland
Liebe Tagesschau.de

Ein Bericht in 5 Zeilen wie:

"Seit Montag steht in Oslo Anders Breivik wegen 77fachen Mordes vor Gericht. B wird beschuldigt im Juli letzten Jahres auf der Insel Utöya das Blutbad unter den Jugendlichen, die an einem Sommercamp der norwegischen Sozialdemokratie teilnahmen, angerichtet zuhaben. Prozessrelavante Informationen und Hintergründe finden Sie auf folgendem Link .." Das hätte für die Informationspflicht völlig ausgereicht - jedem Spanner / Gaffer waere es überlassen weiter zusurfen.

Was aber machen Sie? Sie "interviewen" einen Medienwissenschaftler, der Ihrem Titelseitensensationsjournalismus Absolution erteilt!

Gast
Dilemma?

Eher sensationsgeilheit und der Versuch Kohle zu verdienen. Warum muss man derart reißerisch über der Massenmörder berichten? Auflage und Umsatz. Ein dreizeiler auf Seite 5 reicht. Das Urteil dann später als Information und gut ist. So bekommt der hartpfosten Aufmerksamkeit die nicht gut ist

Gast
wekru, vollkommen richtig.

Israel droht mit einem Krieg, die Bankenwelt droht zusammenzustürzen, Europa verzichtet mit ESM und Fiskalpaket auf die Demokratie - dass sind die Themen, die uns absolut bewegen sollten, nicht dieser Mörder.
Und wenn schon über diesen Mörder berichtet wird, warum nicht darüber, wie er sich die Waffen beschaffen konnte, damit sich niemand mehr nochmals solche Waffen beschaffen kann, damit jeglicher Waffenhandel verboten wird.

Gast
Breivik-Prozess

Irgendwie seltsam: In der Fiktion, also im Kriminalfilm, interessiert uns genau das, was in der Wirklichkeit keine "Bühne" bekommen soll: Hintergründe, Motive und Psyche des Täters (z.B.: Hannibal Lecter). Liegt es daran, dass die Opfer in der Fiktion nicht real sind? Bedauerlicherweise muss ich zugeben, dass mich seit 9/11 nichts mehr wirklich schocken kann, was kranke Wahnvorstellungen angeht. Ich denke aber diese "Bühne" kann für die Gesellschaft auch eine Chance sein, indem gezeigt wird, dass der 'Hauptdarsteller' mit seiner völlig kranken Gedankenwelt völlig allein und isoliert ist. Ich halte das für die klügere -wenn auch schmerzlichere- Vorgehensweise.

Knut Weber
Die Bühne geben ihm die Medien

und nicht das Gericht. Warum wird so viel aufhebens um seine Aussagen gemacht? Dem kann man sich kaum entziehen, da in praktisch jeder Nachrichtensendung darüber berichtet wird.
Wer sich mehr für den Prozess interessiert, sollte dann aus frei zugänglichen und unzensierten Quellen sich darüber informieren können.
Eine in den Medien praktizierte Aufdrängung von Breiviks Aussagen ist aber genau das, was der Angeklagte möchte. Aber empörende Nachrichten sind aus Mediensicht eben gute Nachrichten!

Thomas Anderson
Interwiew mit einem Medienwissenschaftler?

Offensichtlich fühlen sich die Mainstreammedien zunehmender Kritik ausgesetzt, ist doch die "Breivik-Show" so vorhersag-, wie durchschaubar, wenn man die Rolle der Medien in der modernen globalisierten Gesellschaft erst einmal erfasst hat. Der ursprüngliche Anspruch von der reinen Informationsübermittlung ist allein schon durch die fast vollkommene Synchronisierung der Tagesordnung Makulatur. Welche zentral agierende Kraft bestimmt, welches Thema heute der Aufmacher in der Tagesschau, morgen die Headline der Tageszeitung ist und mitunter Tag für Tag in fein abgestimmter Dramaturgie einem vorhersagbaren Höhepunkt zugeführt wird?
Man wird sich in der Breivik-Show vor allem mit seinen "kruden" Weltanschauungen auseinandersetzen, und diese damit ein für alle Mal unmöglich machen. Jeder wertkonservativ eingestellte Mensch darf sich schon Mal in die Nähe des Massenmörders rücken lassen. Die Frage aber, warum nur Journalisten, nicht aber Scherheitskräfte "schossen", wird man nicht stellen.

Gast
Zwiespältig

Im Falle der Medien sehe ich schon eine gewisse Zwiespältigkeit. Klar, es gibt immer welche, die solche Ereignisse gnadenlos ausnutzen. Doch jedes Nachrichtenmedium über EINEN Kamm zu scheren ist falsch. Es gibt auch heute noch Journalisten und Zeitungen/Nachrichtensendungen mit Ethik.

Zur Tagesschau: Sie ist leider auch in ihrem Netzauftritt dazu verdammt, Videos und Audiobeiträge zur Verfügung zu stellen. Dies aufgrund gewisser Schwierigkeiten mit Verlagen und anderen Fernsehanstalten. Man muss es sich ja nicht ansehen. Niemand ist gezwungen, diese Seite aufzurufen. Wer nicht will, lässt es.

Breivik hat seine Bühne durch die Tat und sein "Manifest" gehabt. Durch die "business as usual"-Taktik des Gerichtes hat er diese nicht mehr. Trotz der ganzen Berichterstattung.

Gruß, Doomhammer

Gast

Ich sehe kein Dilemma, weil ich keine Pflicht sehe, in dieser vielfach kritisierten Art und Weise über den Prozess zu berichten.
Ich wiederhole noch einmal: stellen Sie bitte diese sensationsgeile "Berichterstattung" ein!
Einen Vorschlag für eine angesichts sonstiger Weltprobleme angemessene Berichterstattung finden Sie in diesem Diskussionsform (de_imausland).